Cherevychko: "Ich will besser sein als ich"

Denys Cherevychko, der jüngste Erste Solotänzer des Wiener Staatsballetts, will nicht Nijinsky sein, aber besser als Cherevychko.

Scheinbar schwerelos konnte er schweben und mitten im Sprung anhalten, als könne er in der Luft stehen. Graziös und erotisch zugleich, wandlungsfähig, fantasievoll und wagemutig begeisterte er nicht nur die Damenwelt. Keiner kann so sein wie er, keiner tanzt wie der Fleisch gewordene Gott des Tanzes – Vaslav Nijinsky (1889–1950). Einer will das auch gar nicht, darf es dennoch sein. Auf der Bühne der Staatsoper.

Der junge Solotänzer des Wiener Staatsballetts, Denys Cherevychko, tanzt in der Nurejew-Gala zum Saisonabschluss die schwierige Titelrolle in John Neumeiers Ballett „Vaslav“. Eine Gala zeigt die vielen Facetten des Tanzes und auch das reiche Können der Compagnie. So kommt es, dass  zwischen dem Märchenschloss am „Schwanensee“ und dem habsburgischen Jagdschloss in „Mayerling“ die Bühne nahezu leer bleibt. Nur ein Flügel steht da, an dem Igor Zapravdin Präludien und Fugen aus dem „Wohltemperierten  Klavier“ von Johann Sebastian Bach interpretiert und sich Cherevychko ganz in den unerreichbaren Tänzer und Choreografen hineintanzt. „Ich weiß jetzt alles über ihn. Ich war auch in Hamburg bei John Neumeier, um an den Bewegungen zu arbeiten.“ Bach hat Neumeier übrigens nicht von ungefähr als Begleiter ausgewählt. Nijinsky sollte ein Bach-Ballett schaffen, was ihm wenig Lust bereitet hat. So ist dann auch nichts daraus geworden. Im Gegensatz zu John Neumeier war Nijinsky kein besonderer Verehrer der Barockmusik.

Schelmisch. Denys Cherevychko allerdings bekommt fast einen Lachkrampf bei der Frage nach seiner Kenntnis von Bach: „Auch in der Ukraine hören wir manchmal Bach oder Beethoven“, sagt er mit schelmischem Blick in flüssigem Deutsch. Mit 16 hat er seine ukrainische Heimatstadt Donezk verlassen, um an der renommierten Ballett-Akademie (Heinz-Bosl-Stiftung) in München fertigzustudieren. Zwei Jahre später war er in Wien und bald zum Halbsolisten ernannt. Sein Deutsch damals: mangelhaft. Doch das Heimweh war bereits gemildert, die große Schwester hatte ihr Studium in Wien begonnen. Als Küken von 23 Jahren rückte er im vergangenen Sommer in den elitären Kreis der Ersten Solisten auf. Den bubenhaften Charme hat er sich dennoch bewahrt. Auch an Courage hat er nichts eingebüßt. Die setzt er ein, wenn es gilt, innerhalb von 24 Stunden eine so schwierige Rolle wie den im Wahnsinn endenden Frédéri in Roland Petits „L’Arlesienne“ zu lernen. Kirill Kourlaev, der die Rolle kreiert hat, war erkrankt, Cherevychko rettete die Vorstellung, ohne zu zögern. Der donnernde Applaus tröstete über die kurze Probenzeit. Courage zeigte er auch im Vorjahr, als er allein zum renommierten Ballettwettbewerb nach Varna reiste. „Wettbewerbe sind nur etwas für junge Tänzer, deshalb musste ich unbedingt noch da hin. Nach der Nominierung für den Prix Benois wollte ich auch diese Goldmedaille.“ Maître Legris gab ihm nolens volens seinen Segen. Eine Blamage wollte sich das Staatsballett, konnte sich der Erste Solotänzer nicht leisten.

Doch Cherevychko scheut kein Risiko: „Ich will alles, und ich werde es auch kriegen.“ Den ersten Preis samt Goldmedaille für eine „fliegende Hummel“ zur Musik von Nikolai Rimski-Korsakow hat er schon. Den unsichtbaren Publikumspreis gewinnt Cherevychko immer wieder für seine Interpretation des verschmitzten spanischen Barbiers in Nurejews „Don Quixote“. Auch wenn das Wiener Staatsballett im Juli bei den Pariser „Etés de la Danse“ nahezu vier Wochen im Théâtre du Châtelet gastieren wird – „Zwölf Vorstellungen in einer Woche. Urlaub? Das ist ein Fremdwort“ –, sind Ovationen für Denys/Basil programmiert. Die Pariser kennen Cherevychko bereits. Durfte er doch im Dezember 2012 mit Maria Yakovleva („Wir haben so viel zusammen getanzt, wir kennen unsere Körper und sind in totaler Harmonie“) mit dem Ballet de l’Opéra de Paris die Hauptrolle in „Don Quichotte“ tanzen. „Das war ein Erlebnis, in den heiligen Hallen zu proben. Ganz im Gegensatz zu den Gerüchten waren die französischen Kollegen supernett und sehr hilfreich.“ Für seine Solovariationen wurde ihm von der Kritik nicht nur „Legris-Touch“ bescheinigt, sondernd auch „Charisma, Virtuosität, Lebensfreude.“

Beruf: Schönheit. Der bedingungslose Siegeswille ist mit eiserner Disziplin und ebensolcher Arbeitslust gepaart. „Der Ballettsaal ist nicht alles, ich beobachte auch die Leute auf der Straße, wie sie sich bewegen. Wenn ich etwas Schönes sehe, und mein Beruf besteht ja aus Schönheit, dann versuche ich das zu integrieren.“ Vorbilder? „Natürlich gibt es Tänzer, die ich bewundere, aber ich will niemanden kopieren, ich will nicht besser sein als jemand. Ich will besser sein als ich.“

Mit kräftigen Sprüngen und nie versiegender Energie brilliert Cherevychko auch in zeitgenössischen Choreografien, was ihm noch fehlt, sind die klassischen Prinzenrollen. Dass er nicht der geborene „Danseur noble“ – hochgewachsen mit schlanker Silhouette, wie Nijinsky, Nurejew oder Legris – ist, tut er mit einem Lachen ab: „Baryshnikov war auch nicht groß, oder Malakhov. Ich habe noch viel vor. Die Prinzen werden kommen, das ist nur eine Frage der Arbeit.“ Neben Technik, Risikofreude, Trainingsfleiß hat Cherevychko auch Selbstvertrauen: „Was du wirklich willst, das schaffst du auch!“

TIPP

Nurejew-Gala, ­­29. 6., Staatsoper. www.wiener-staaaatsoper.at/ Paris-Gastspiel des Ballettensembles der Wiener Staatsoper: „Les Etés de la Danse“, 4.–27. 7, Théatre du Châtelet. http://chatelet-theatre.com/2012-2013

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