Im Anfang war das Wort, um sich ein Bild zu machen

Immobilienwerbung. In Koexistenz mit den elektronischen Medien gibt es die Print-, die Wortanzeige bis heute. Und die Außenwerbung wirkt. Immobilien suchen, finden, anbieten. von madeleine napetschnig

Es braucht nur ein paar Sekunden, um sich über eine Immobilie ins Bild zu setzen. Ein Blick ins Internet, ein Wisch über das Tablet mit der App, die alles verrät, selbst die Hausnummer des Objekts. Ist das das Ende der klassischen Printanzeige „Wohnung, Zinshaus, Büro zu verkaufen“? Stefan Brezovich von Örag, die seit Kurzem eine App für Immobiliensuchende anbieten und seit 142 Jahren auf dem Markt sind, verneint: „Wir glauben nicht, dass die elektronische die Printwerbung ablöst. Erstere dient zur schnellen und detaillierteren Information über das Objekt, denn die kurzfristige Verfügbarkeit mancher Immobilien ist im Print schwer darstellbar.“ Aber Letztere diene zu einer „nachhaltigen, oft auch zu einer stimmungsbezogenen Information“.

Professionelle Fotografie und Grafik, zur Detailinfo neuerdings ein QR-Code – damit erzeugen Sujets auf Papier Emotion beim Betrachter. Und verfestigen das Image des Anbieters, meint Eugen Otto von Otto Immobilien, seit vielen Jahren auf dem Markt.

Also doch in der Zeitung durch den Immobilienteil blättern, Inserate markieren, aus gedruckten Bildern Möglichkeiten herauslesen. Einfach, wenn man bedenkt, dass die Vorstellungskraft früher bloß bleigesetzte Lettern anheizten. „Reizende Villa im schönsten Theile des Währinger Cottages, Garage im Hause, mit Obstbäumen, vollkommen staubfrei.“ Wenig erstaunlich, dass sich an den Begehrlichkeiten (Villa, Nobelbezirk, Garten) nichts geändert hat. Freilich: Ein „eleg. möbl. ungeniertes Gastzimmer an distinguierten Herren“, „Absteigquartier“ oder „Speculationsobject“ waren im jungen 20.Jahrhundert semantisch noch anders aufgeladen. Die Annoncenzeile im hinteren Teil der Tageszeitung war jedenfalls wirksam, mit der Zeit gönnten sich Anbieter immer mehr Gestaltungsraum für Typografie und Formulierung. Die Wohnungs-, Fabriks- oder Sommerfrische-Villa-Suchenden ackerten dann die Kolonnen der Sonntagsausgabe durch (minimaler Zeilenabstand, Sechspunktschrift).

Mit einer Nummer wandten sie sich postalisch an die Zeitung, bekamen den Kontakt zum Verkäufer, Vermieter, Vermittler für die Besichtigung. Nur eine Frage von Tagen, Wochen. Mühsam für beide Seiten, aus gegenwärtiger Sicht.

Das Mobiltelefon erwies sich bei Suche wie Abwicklung als Quantensprung. Noch in den Achtzigerjahren war es entscheidend für das Business, „Kenntnis von vielen Wiener Telefonzellen zu haben“, erzählt Brezovich. „Wenn der Kunde nicht auftauchte, konnte man anrufen und nachfragen, wo er denn blieb.“ Und er kam eher als heute, wo das Handy spontanes Absagen erleichtert. Allerdings war der Kunde auch weniger im Bilde und vor Enttäuschungen nicht gefeit: „Es konnte schon einmal passieren, dass der Kunde zur Besichtigung erschien, das Objekt sah, man sich die Hand schüttelte und er sagte: Da brauchen wir gar nicht erst hineingehen.“ Heute verringert sich die Zahl leerer Kilometer, weil der Interessent bereits Bescheid weiß. Umgekehrt erleichtert ihm das Internet, Anfragen sofort an viele Personen zu schicken – und dann die ausgearbeiteten Angebote, Pläne und Exposés der Makler unbeantwortet zu lassen. Nichts aber geht über den direkten Kontakt: „Das persönliche Gespräch mit dem Kunden ist sehr wichtig, um herauszufinden, was er genau will“, meint Otto. Mundpropaganda durch zufriedene Kunden sei entscheidend.

Was die Kommunikationshilfen in der Abwicklung anbelangt, kann sich Otto noch an den Piepser erinnern. „Ein Fortschritt. Er hatte zwei Töne und es war ausgemacht, dass man sofort ein Telefonhüttel sucht und sich in der Firma meldet.“ Auch dem Telex, „das hatten damals nur zwei große Wiener Makler“, traute man kein langes Leben zu. Daher wurde intern auch erst einmal diskutiert, als es um die Anschaffung eines Faxgerätes ging, ein Riesentrumm, das Thermopapier auswarf, das schon nach zwei Jahren verblasst war. „Etliche Makler hatten kein Fax, weil sie dachten, die Entwicklung geht bald vorbei“, erzählt Otto.

Die Vermarktung funktionierte lange sehr konzentriert: „Eigentlich nur in Form von Wortanzeigen. Bildanzeigen waren mühsam, teuer, es gab wenige Fotos.“ Heute gibt es eine wahre Bilderflut, zumal bei neuen Projekten versucht wird, „den Vermarktungsprozess ziemlich weit nach vorne zu tragen. Wird eine Wohnung erst errichtet, muss man bereits ein Stimmungsbild davon schaffen.“ Meist liefert der Developer Sujets und erarbeitet mit dem Makler Unterlagen, Internetauftritt und Folder, schildert Brezovich. Aber so gut die auch seien, „eine Livebegehung des Objekts kann das nicht ersetzen“. So entscheidet noch immer das physische Erlebnis vor Ort. Und dazu gehört auch die Werbung am Objekt: Bautafeln, Transparente, Folien. „Außenwerbung begann bei uns erst vor zehn, zwölf Jahren. Eigentlich unlogisch“, wundert sich Otto, der stark auf die Präsenz am Gebäude setzt: „Es gibt viele Leute, die herumfahren und sich bewusst die Häuser ansehen.“ Auch Brezovich sieht eine „sehr große Wirksamkeit von Transparenten an Gebäuden: „Der Interessent hat das Haus bereits akzeptiert, sonst hätte er sich nicht gemeldet.  Er ist nicht neutral wie etwa im Web. Da ist ein wichtiger Schritt in der Beziehung des möglichen Bewohners zum Haus schon gemacht.“

("Die Presse", 165 Jahre Jubiläumsausgabe, 29.06.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

165 Jahre Die Presse

"Im Vergleich zu früher ist eigentlich alles anders"

Immobilienwirtschaft. Von handfesten Realitäten bis zur „Assetklasse Real Estate“. Mit drei Fachleuten blicken wir zurück – und nach vorn.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.