Das ehrgeizige Rennen zwischen Links und Rechts um die Bespielung des Heldenplatzes am 8. Mai scheint entschieden: Die Bundespolizeidirektion Wien will den Platz jetzt überhaupt für Kundgebungen aller Art sperren.
Sollte die zuständige Behörde bei dieser Entscheidung bleiben - ein endgültiger Bescheid ist formell vor dem Abend des 7. Mai nicht möglich -,
folgt sie einer alten österreichischen Tradition: Man löst ein Problem, ehe man es begriffen hat.
Ausgelöst wurde die Debatte, die keine war, durch den Plan rechter bis rechtsextremer, teils wohl auch neonazistischer Burschenschafter, am Tag der Kapitulation Nazi-Deutschlands der Toten zu gedenken, die der Krieg auf deutscher Seite gefordert hatte. Wegen der Geschichtsverzerrung, die das bedeuten würde, regte sich sofort Protest, Gegenkundgebungen wurden angekündigt. Mit anderen Worten: das demokratische Procedere begann seinen Lauf zu nehmen.
Dieses demokratische Procedere sähe zunächst vor, auch rechtsextremen Gruppierungen, wenn sie sich an die rechtlichen Rahmenbedingungen halten, das Demonstrationsrecht zuzugestehen. So wie man dafür sorgen müßte, daß auch den Gegendemonstranten eine adäquate Möglichkeit zur Meinungsäußerung eingeräumt wird.
Zugleich müßte die Polizei - anders als nach der Anti-Wehrmachts-Demonstration vom 13. April - verhindern, daß Neonazis völlig unbehelligt Sieg Heil -grölend durch die Stadt ziehen. So wie sie verhindern muß, daß Anti-Neonazi-Demonstranten ihr subjektives Bewußtsein der moralischen Überlegenheit über die Ewiggestrigen gewaltsam ausdrücken.
Es wäre lehrreich gewesen, am Beispiel des 8. Mai zu zeigen, wie eine reife Demokratie mit extremistischen Minderheiten umzugehen hätte, vor deren An- und Absichten die große Mehrheit zurecht Ekel empfindet: Indem sie ihnen ihre Rechte gewährt und ihre Grenzen aufzeigt.
Stattdessen sperrt man den Heldenplatz mit dem fadenscheinigen Argument, einen Ärztekongreß nicht behindern zu wollen. Vielleicht folgt man am Ende auch der absurden Forderung eines naiven Grünpolitikers, den Platz gleich umzubenennen: Wie wär's mit Ärzteplatz?
Michael Fleischhacker kam 2002 zur „Presse“ und war von September 2004 bis Oktober 2012 „Presse“-Chefredakteur.
("Die Presse", 165 Jahre Jubiläumsausgabe, 29.06.2013)