Er wäre Österreichs „Perón“ geworden

Die Olah-Krise. Erstmals musste ein heimischer Top-Politiker für ein Jahr in den Kerker. Aus dem „Parteischädling“ wurde erst nach Jahrzehnten ein allseits geachteter Patriot.

Wer würde heute an einem derart harmlosen Gespräch wie oben abgedruckt etwas finden? Im Jahr 1964 war es Anlass genug, den übermächtigen Franz Olah endlich loszuwerden. Der schier unglaubliche Schiedsspruch im „Zentralorgan“ der Sozialistischen Partei, der „Arbeiter-Zeitung“, lautete: Es sei unannehmbar für die Partei, von einem ihrer Funktionäre in einem gegnerischen Blatt herabgesetzt zu werden.
Gegnerisch? Ja, so empfand es damals die Pittermann-SPÖ. Gegner waren für sie alle parteipolitisch ungebundenen Zeitungen. Es musste erst die saftige Niederlage 1966 setzen, bis Bruno Kreisky auf den Plan trat, der nicht nur die Partei reformierte, sondern auch die letzten Betonköpfe behutsam entfernte.
Für Olah kam das alles zu spät. Sein Kopf musste fallen, da konnten selbst die Jugendfreunde Kreisky und Slavik nichts retten. Und so kam es zu der folgenschwersten Krise der SPÖ in ihrer Nachkriegsgeschichte.
Viele Politiker sind vor und nach Olah verurteilt worden. Meist war Korruption im Spiel. Aber noch nie ist ein aktiver Politiker so hoch erhobenen Hauptes ins Gefängnis gegangen wie der ehemalige ÖGB-Präsident, Nationalratspräsident und Innenminister. Am 1. Oktober 1970 ereignete sich diese Sensation. Der Oberste Gerichtshof hatte ihn zu einem Jahr unbedingter Kerkerstrafe verurteilt. Er fühlte sich schuldlos – als Opfer einer SPÖ-internen Intrige, die auf Tod und Leben ausgetragen wurde. Die Wahrheit, das zeigen die Dokumente, dürfte wohl in der Mitte gelegen sein.

Der Todfeind Broda


Olah hingegen kündigte an, bis zum letzten Atemzug um Rehabilitierung kämpfen zu wollen. Die kam erst sehr spät, erst musste Justizminister Christian Broda aus dem Amt scheiden, der erbittertste Feind Olahs. Nicht nur er fürchtete als ehemaliger Kommunist die Geheimakten der Staatspolizei, die Innenminister Olah fein säuberlich hortete. Olahs Griff nach der ganzen Macht musste rechtzeitig unterbunden werden.
Kurz gefasst: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Olah von einem Sparbuch des ÖGB eine Million Schilling abgehoben und auf ein neues Sparbuch ohne Losungswort eingezahlt hatte. Das ÖGB-Sparbuch lag seit der Gründung der „Kronen Zeitung“ 1959 bei der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien. 1965 habe er das Geld von dem neuen Sparbuch abgehoben und für „gewerkschaftsfremde Zwecke“ verwendet.
So stand der Mann, einer der interessantesten und buntesten Politiker Österreichs, auch an der Wiege einer Massenzeitung, deren Erfolgsgeschichte er damals vielleicht ahnte, aber sicher nicht abschätzen konnte. Er starb 2009 im hundertsten Lebensjahr.

("Die Presse", 165 Jahre Jubiläumsausgabe, 29.06.2013)

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