Klug zum Golan: "Die Reaktion der UNO war mager"

Klug Golan Reaktion mager
Klug Golan Reaktion mager(c) APA/BKA/ANDY WENZEL (BKA/ANDY WENZEL)
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Österreich habe erfolglos vor der verschärften Sicherheitslage auf dem Golan gewarnt, sagt Gerald Klug im Interview. Den Abzug der Truppen hält er für richtig, für Verstimmungen mit der UNO macht er das Außenressort verantwortlich.

Wann werden die Soldaten auf dem Golan jetzt wirklich abgezogen?

Gerald Klug: Rund um den 4.Juli wird der Großteil der noch verbliebenen Soldaten zurück nach Österreich kommen. Zur partnerschaftlichen Unterstützung eines geordneten Abzuges werden wir den Vereinten Nationen ein Kontingent an Stabspersonal, Logistikern und Sanitätern bis Ende Juli belassen.

Deren Sicherheit ist garantiert?

Nach menschlichem Ermessen kann man davon ausgehen.

Der Vertrag mit der UNO sieht eine Dreimonatsfrist für den Abzug vor. Haben Sie diesen Vertrag nicht gekannt oder bewusst ignoriert?

Uns war die 90-Tage-Frist bekannt, wir waren daher nicht überrascht. Da wir aber im Ministerrat gemeinsam und mit Beteiligung des Außenministers den Beschluss für einen geordneten Abzug in zwei bis vier Wochen gefasst haben, bin ich davon ausgegangen, dass auf der diplomatischen Ebene aktiv Gespräche geführt werden.

Aber Österreich kann so einen Vertrag ja nicht einseitig außer Kraft setzen.

Ja, da gibt es klarerweise das Primat der Verhandlungen. Aber wir haben ja gesehen, dass Kroatien, Japan und Kanada mit ihrem Kontingent in drei Wochen abgezogen sind.

Das heißt, das Außenministerium hat nicht gut genug verhandelt?

Wie das in den ersten Tagen konkret verlaufen ist, davon habe ich keine Kenntnis. Ich habe erstmals am Freitag, den 14. Juni, in den späten Nachmittagsstunden in Erfahrung gebracht, dass auf der diplomatischen Ebene die Gespräche ins Stocken geraten sind, und habe daher am Montag in meinem Haus mit Militärexperten an einem Lösungsvorschlag gearbeitet.

Der Rückzug der Österreicher gefährdet die gesamte UNO-Mission. Welche Rolle hat das bei der Entscheidungsfindung gespielt?

Wir haben die Vereinten Nationen seit gut eineinhalb Jahren auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass sich die reale Situation vor Ort immer mehr vom zugrunde liegenden Mandat weg entwickelt. Und wir haben mehrfach reklamiert, dass wir zusätzliche Schutzmaßnahmen für unsere Soldaten benötigen. Die Reaktion war mager.

Aber der Eindruck bleibt: Wenn es bei einem Einsatz riskant wird, ist auf die Österreicher kein Verlass.

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass wir jetzt knapp 40 Jahre lang mit 29.000 Soldaten deutlich unter Beweis gestellt haben, dass Österreich ein verlässlicher Truppensteller ist. 27 Soldaten haben in dieser Zeit auf dem Golan ihr Leben gelassen. Aber jetzt war aufgrund der Vorfälle am 6. Juni eindeutig die Reißleine zu ziehen.

Österreich sagt, der Auftrag war nicht mehr erfüllbar. Die UNO sieht das anders: Sie bleibt auf dem Golan und verstärkt sogar die Truppen. Wie erklären Sie die Diskrepanz?

Wie sich diese Friedensmission auf dem Golan tatsächlich weiterentwickeln wird, kann ich zur Stunde nicht einschätzen. Dazu gibt es zu viele unterschiedliche Informationen. Ja, es gibt die Absicht, aufzustocken. Aber es gibt auch Überlegungen anderer Länder, wie der Philippinen, sich zurückzuziehen.

Was bedeutet das jetzt für künftige Einsätze im Ausland? Das Engagement auf dem Balkan wird demnächst auslaufen, dann sind wir nur noch mit 150 Soldaten im Libanon. Geht die Tradition der Österreicher bei Friedensmissionen zu Ende?

In der Sicherheitsstrategie, die jetzt im Parlament beschlossen wird, ist ausdrücklich festgehalten, dass wir uns weiterhin mit 1100 Soldaten im Ausland engagieren. Wir bleiben ein verlässlicher Truppensteller. Auf dem Balkan ist es meines Erachtens noch nicht absehbar, wann es zu einer Beendigung kommt.

Ein Schwerpunkt der UNO ist in Afrika. Werden da die Österreicher verstärkt zum Einsatz kommen?

Wenn eine konkrete Anforderung und ein konkreter Bedarf gemeldet wird, werden wir das prüfen und innerstaatlich dazu einen politischen Konsens erzielen.

Wird es auch zu riskanteren Einsätzen kommen?

Um in die Zukunft zu blicken, würde ich hellseherische Fähigkeiten benötigen. Aber die grundsätzliche Bereitschaft Österreichs, sich an Auslandseinsätzen und Friedensmissionen zu beteiligen, besteht, jawohl.

Zur Wehrpflichtreform: Die ÖVP jubelt, dass ihr Programm umgesetzt wurde. Haben Sie denn gar nichts beigetragen?

Die Jubelmeldungen aus dem Parteisekretariat einer bestimmten Partei kommentiere ich grundsätzlich nicht. Wir haben mit dem Koalitionspartner und unseren Experten im Haus in rund vier Monaten intensiver Arbeit den Wehrdienst neu erarbeitet. Der trägt klar und deutlich die Handschrift des österreichischen Bundesheeres. Und das ist gut so.

Wie neu ist die Wehrpflicht neu? Ist das jetzt eine Revolution oder sind es ein paar nette Anpassungen?

Nachdem ich meine Pflichtschulzeit schon hinter mich gebracht habe, will ich da keine Schulnoten vergeben. Aber wir werden mein Ziel, das ich angestrebt habe, deutlich erreichen, nämlich eine klassische Win-win-Situation zu erreichen. Auf der einen Seite gelingt es uns, einen attraktiven neuen Wehrdienst auf die Beine zu stellen. Auf der anderen Seite wird es uns gelingen, für das Bundesheer die besten Burschen zu gewinnen.

Ist der Kernpunkt der vier Ausbildungsmodule wirklich so neu? Auch bisher gab es ja für Kampftruppen und Systemerhalter schon unterschiedliche Ausbildungen.

Wir gehen schon in eine neue Ära, weil wir davon abgehen, allen Rekruten die gleiche Ausbildung zukommen zu lassen, und dort, wo es sich nicht ausgeht, mit Augenzwinkern nur 50Prozent. Mit den vier Wahlmodulen können individuelle Interessenslagen, vorhandene Qualifikationen, individuelle Eignung und der Bedarf des Bundesheeres eingetaktet werden.

Was wird sich bei den Tauglichkeitskriterien ändern? Die sollen ja angepasst werden.

Da hat es vielleicht missverständliche Darstellungen gegeben. Es gibt eindeutig nicht das Ziel, dass wir Untaugliche zum Heer einberufen.

Aber bisher Untaugliche werden durch die neuen Kriterien tauglich?

Nein, wir verfolgen das Ziel, dass die eingeschränkt Tauglichen bestmöglich, sinnvoll, zielgerichtet und effizient eingesetzt werden. Um das an einem konkreten Beispiel festzumachen: Wenn wir einen mit 50Prozent Tauglichkeit haben, dann soll der nicht irgendwo in einem Verband mitrennen und seine Leistung nicht erbringen können. Da ist es doch sinnvoller, wenn wir vorher überlegen, wo wir ihn sinnvoll einsetzen können. Damit soll auch das aus der Vergangenheit bekannte Frustrationspotenzial wesentlich geringer werden.

Das Beispiel macht fassungslos: Ist das etwa vorher nicht passiert?

Das ist eines der Ergebnisse unserer Stärke-/Schwäche-Analyse: Wir mussten feststellen, dass wir hier Defizite haben.

Die Miliz beruht künftig auf Freiwilligkeit. Habe ich das richtig verstanden?

Ganz eindeutig, ja.

In der Verfassung steht, das Bundesheer ist nach den Grundsätzen des Milizsystems einzurichten. Das steht mit der Realität nicht mehr im Einklang: In Wirklichkeit gibt es jetzt Berufssoldaten, Präsenzdiener und als Beiwerk ein bisschen Miliz. Müsste man jetzt nicht konsequenterweise die Verfassung ändern?

Nein, wir müssen nicht die Verfassung ändern. Entscheidend ist, dass wir im Bereich der Miliz eine schwierige Ausgangssituation haben. Durch die Reduzierung des Grundwehrdienstes und den Wegfall der Truppenübungen werden wir in den nächsten Jahren ein Problem mit der Miliz haben. Entscheidend für die Attraktivität wird sein, ob Milizsoldaten in Zukunft zum Einsatz kommen oder nicht.

Noch einmal: Laut Verfassung muss unser Heer ein Milizheer sein. Ist es aber nicht.

Ich kann Ihnen nur sagen: Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die Miliz sich durch die Veränderung in den letzten Jahren in einer schwierigen Ausgangslage befindet, aber wir haben jetzt ein Konzept, mit dem wir die Miliz weiterentwickeln wollen. Und wir werben in der Gesellschaft und in der Wirtschaft um Verständnis für die Miliz.

Steckbrief

Gerald Klug
Seit 11. März 2013 Verteidigungsminister und damit Nachfolger von Norbert Darabos, der als Bundesgeschäftsführer in die SPÖ-Zentrale wechselte.

Gewerkschafter
Klug stammt aus der steirischen Gewerkschaftsbewegung. Von 2005 bis 2013 saß er im Bundesrat.

Abzug vom Golan
Aufgrund des Bürgerkriegs in Syrien beschloss die Regierung auf Antrag Klugs den Abzug der österreichischen Truppen vom Golan. Damit geht eine 39Jahre dauernde Friedensmission zu Ende.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2013)

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