Reform der Wehrpflicht besiegelt Ende der Miliz

Reform Wehrpflicht besiegelt Ende
Reform Wehrpflicht besiegelt Ende(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die österreichische Bundesverfassung schreibt eindeutig vor, dass das Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten ist. Das geht jetzt nicht mehr.

Wien. Die Reform der Wehrpflicht, die Verteidigungsminister Gerald Klug am Donnerstag offiziell präsentierte, bringt nicht nur Änderungen und Verbesserungen im Grundwehrdienst, sie fixiert auch eine Entscheidung, die formal so nie wirklich ausgesprochen wurde: Das Milizsystem ist damit praktisch abgeschafft.

Offiziell wird natürlich anderes kolportiert: Rein formal gibt es die Miliz noch, das Reformpapier widmet diesem auch noch einige Seiten. Aber: In der Praxis wird sie in Zukunft keine Rolle mehr spielen. Der Hauptgrund: Ab jetzt beruht alles auf Freiwilligkeit. Die verpflichtenden Milizübungen nach Ende des Grundwehrdienstes hat der damalige Verteidigungsminister Günther Platter schon im Jahr 2006 abgeschafft und damit das Ende der Miliz eingeleitet. Denn: Wer nicht übt, kann auch nicht eingesetzt werden.

Das nahm auch dem Grundwehrdienst viel von seiner Sinnhaftigkeit: Warum werden jährlich 22.000 junge Männer in militärischen Fertigkeiten unterrichtet, wenn diese Kompetenzen nie einsetzbar sind? Ein Einsatz während des Grundwehrdienstes kommt ja praktisch nicht infrage, da sind die Rekruten den Großteil der Zeit noch in Ausbildung, und Auszubildende können sinnvollerweise nur für Hilfsdienste (wie etwa Sandsäcke füllen beim Hochwasser) eingesetzt werden. Danach geht es auch nicht, denn ohne regelmäßige Übungen ist die Ausbildung bald vergessen.

Platter legte den Grundstein

Wie gesagt: Platter hat mit seiner Verkürzung des Wehrdienstes den Grundstein für das Ende der Miliz gelegt. Aber Milizorganisationen und Offiziersgesellschaft haben gehofft, im Zuge der Wehrpflichtvolksbefragung die Entscheidung zur Abschaffung der verpflichtenden Milizübungen noch umdrehen zu können. Sie hätten sich dabei auch mit dem von acht auf sechs Monate verkürzten Wehrdienst abgefunden und ein Modell mit fünf Monaten Grundausbildung und einem Monat Übungen vorgeschlagen. Und sie hatten die Hoffnung, dies im Zuge der Reform der Wehrpflicht durchbringen zu können.

Dafür konnten sich aber weder SPÖ noch ÖVP erwärmen. So beliebt sind Milizübungen nun auch wieder nicht, und gerade in Vorwahlzeiten wollte wohl niemand als Verkünder der schlechten Botschaft auftreten. Auch in den Unternehmen sieht es ja niemand gern, wenn Arbeitnehmer noch offene Verpflichtungen aus der Zeit des Grundwehrdienstes haben.

Bei einer Freiwilligenmiliz wird, wie die letzten Jahre gezeigt haben, der Zulauf aber gering bleiben. Hauptsächlich melden sich jene, die als Einjährig-Freiwillige eine Offiziersausbildung machen wollen. Unteroffiziere sind kaum noch vertreten, und die Mannschaft schon gar nicht. Das wird sich auch mit verstärkten Werbemaßnahmen und der Einrichtung von Servicestellen in den Bundesländern nicht ändern.

Für Michael Schaffer, Präsident des Milizverbandes, ist die Organisation des Bundesheeres damit „verfassungswidrig“. Denn die österreichische Bundesverfassung schreibt eindeutig vor, dass das Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten ist. Was das eigentlich heißen würde, zeigt die Schweiz vor: Die Miliz kommt nicht dann zum Einsatz, wenn die Berufskader überfordert sind, sondern die Berufssoldaten sind quasi die Serviceorganisation für die Miliz. Und die kommt zum Einsatz, wenn das Heer angefordert wird.

Die jetzige Reform der Wehrpflicht ist für Schaffer so, als würde man „ein Auto ein bisschen aufpolieren, während es weiter in die falsche Richtung fährt“. Die Philosophie sei falsch: Österreich habe – trotz eindeutigen Ausgangs der Volksbefragung – in Wirklichkeit ein Berufsheer. Dass die Verfassung ein Milizheer vorschreibt, hilft den Milizbefürwortern aber wenig: Ihnen fehlt die Klagslegitimation, um rechtliche Schritte einleiten zu können. An eine Änderung der Verfassung denkt aber auch niemand. Dies sei nicht notwendig, sagte etwa Verteidigungsminister Gerald Klug im Interview mit der „Presse am Sonntag.“

Auf einen Blick

Michael Schaffer ist Präsident des Milizverbandes. Für ihn geht die Reform der Wehrpflicht in die falsche Richtung: Österreich habe nun trotz Volksbefragung in Wirklichkeit ein Berufsheer, während dieses doch laut Verfassung eigentlich milizartige Strukturen haben sollte. [Zötl]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2013)

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