Nabucco-Projekt: "Es war ja keine Brautwahl"

Nabucco Project keine Brautwahl
Nabucco Project keine Brautwahl(c) EPA (ALEXANDROS VLACHOS)
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Elshad Nassirov, Vizepräsident der staatlichen aserbaidschanischen Öl- und Gasgesellschaft Socar, erklärt der "Presse", warum das Nabucco-Pipelineprojekt gescheitert ist.

Die Presse: Warum hat sich die Entscheidung über die Pipelineroute so hinausgezogen?

Elshad Nassirov: Die Produktion der dafür nötigen Lagerstätte Shah-Deniz im Kaspischen Meer und der Transport kosten 40 Mrd. Dollar. Da muss man schon alle Risken abwägen.

Was war dann das entscheidende Kriterium gegen Nabucco und für TAP?

Keines von den acht Hauptkriterien dominierte. Eines der wichtigsten war der kommerzielle Nutzen für die Produzenten.

Auffällig ist, dass die norwegische Statoil sowohl im Schah-Deniz-Konsortium sitzt als auch – neben der Schweizer Axpo und der deutschen E.on – an TAP beteiligt ist. War das nicht ein Argument?

Das wurde überhaupt nicht berücksichtigt. Statoil nahm an TAP teil, um das Projekt von innen zu verstehen.

Jedenfalls hat die Schweizer Regierung stark für TAP lobbyiert.

Dem politischen Moment wurde nicht Rechnung getragen. Denn wenn das Projekt wirtschaftlich ungünstiger wäre, wegen politischen Lobbyings aber siegen würde, müsste jemand die Differenz zwischen dem guten und dem schlechten Angebot zahlen. Dazu ist niemand bereit. Übrigens: Das politische Lobbying der EU für Nabucco war nicht weniger stark.

Nabucco wäre auf seiner Route ein Konkurrent des russischen Pipelineprojektes South Stream gewesen. Ist TAP also auch ein Sieg der Russen?

Absolut nicht. Wir gingen von keiner Konkurrenz aus, denn South Stream ist einfach eine neue Pipeline, aber mit dem gleichen Lieferanten. Wir aber sind neue Lieferanten. Wenn wir ab 2018/2019 liefern, wird der Gasbedarf bereits steigen. Schon deshalb sehen wir keinen Grund zur Rivalität.

Aber Russland sah Nabucco als Konkurrenz. Hat Russland Druck gemacht?

Wir haben keinen verspürt. Und selbst wenn einer gemacht worden wäre, hätte man ihn als Wunsch eines Lieferanten nach Markterhalt auffassen können.

TAP wird anfänglich zehn Mrd. Kubikmeter transportieren. Wie sehr kann die Pipeline erweitert werden?

Auf 20 Mrd. Kubikmeter. Sobald das Gasvolumen bereitsteht.

Es heißt, Aserbaidschan würde auch die Länder entlang einer Pipelineroute nach Österreich als Märkte im Auge haben. Ziehen Sie immer noch einen Nabucco-Strang in Betracht?

TAP gilt als erster Schritt auf dem Südkorridor. Wir können nicht ausschließen, dass im Fall eines neuen Bedarfs und entsprechender Marktsituation auch neue Pipelines gebaut werden. Wenn jemand Nabucco bauen möchte, werden wir Gas auch dafür liefern.

Klingt wie Trost an das Nabucco-Konsortium. Haben Sie mit dem Nabucco-Konsortium eine mögliche künftige Pipeline bis Wien diskutiert?

Natürlich. Aber ein Projekt lebt nicht von Versprechen, sondern von Lieferverpflichtungen. Diese können wir aber erst geben, wenn die Erschließung der nötigen zusätzlichen Lagerstätten ein positives Ergebnis liefert. Es geht hier nicht um Trost. Es ist ja keine Brautwahl, bei der der Bräutigam die andere Frau tröstet. Es geht um ein kommerzielles Projekt, und wenn die Produzenten das attraktivere wählen, brauchen sie die Betreiber des anderen nicht trösten.

Was meint die OMV zu künftigen Lieferungen auf einer Route nach Wien?

Wir haben unseren Standpunkt darüber dargelegt, dass wir schon bald Lieferverpflichtungen abgeben könnten. Die Wahl, das Nabucco-Projekt zu bewahren oder es zu schließen, obliegt der OMV. Man darf nicht vergessen, dass die ursprüngliche Nabucco nicht allein auf aserbaidschanisches Gas abgezielt hat und nicht auf Bitte des Schah-Deniz-Konsortiums entstanden ist.

Wann könnten Sie zusätzliche Lieferverpflichtungen abgeben?

Schah-Deniz reicht jetzt einmal dafür aus, um den Bau der Pipeline bis nach Italien zu kompensieren. Wenn der Baubeginn erfolgt ist, können wir die Erschließung anderer Lagerstätten angehen.

Wann soll die Investitionsentscheidung für Schah-Deniz fallen?

Ende dieses Jahres.

Und wann beginnt der Pipelinebau?

Sofort danach.

Wenn Sie die Geschichte von Nabucco ansehen: Was waren die Fehler in Kalkulation und Strategie?

Ich sehe keine.

Ein Kritikpunkt ist, das Nabucco-Konsortium wäre lange Zeit nicht flexibel gewesen und hätte auf dem ursprünglichen Planvolumen von 31 Mrd. Kubikmeter bestanden. Es hat unbedingt Gas von drei Ländern – Aserbaidschan, Turkmenistan und Irak – wollen.

Ich kann Nabucco nicht vorwerfen, unflexibel gewesen zu sein. Das Konsortium hat ja zugestimmt, die Pipelinekapazität unseren Liefermöglichkeiten anzupassen.

Man kann Aserbaidschan und die Türkei loben, dass sie die Initiative für Gaslieferungen in die EU an sich gerissen und Bewegung in die Sache gebracht haben. Aber man kann auch sagen, dass Aserbaidschan alles auf sich beschränkt und Gas aus Turkmenistan nicht mehr so leicht nach Europa gelangt.

Die Frage weiterer Lieferanten bleibt offen. Wenn es sie gibt, dann profitiert das Projekt Schah-Deniz insofern, als die Tarife für Gas und den Transport sinken.

Könnte also turkmenisches Gas durch die künftige Pipeline fließen?

Das ist nicht ausgeschlossen.

Wird die dafür nötige Zubringerpipeline von Turkmenistan nach Aserbaidschan durch das Kaspische Meer mit Ihnen diskutiert?

Sie wurde mit der EU auf der Ebene der Energieminister diskutiert. Für Aserbaidschan ist sie kein Verhandlungsgegenstand. Alles hängt von einer Einigung der EU mit Turkmenistan ab.

Aber Aserbaidschan ist in den Diskussionsprozess integriert?

Wir können jede Frage diskutieren.

Auf einen Blick

Elshad Nassirov, geboren 1960 in Baku, ist seit 2005 Vizepräsident der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft Socar. Im staatlichen Dienst stand Nassirov auch schon zuvor. Er arbeitete als Diplomat in Afghanistan und Indien und war unter anderem Vertreter Aserbaidschans bei der UNO. [Socar]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2013)

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