Die Hypo-Notverstaatlichung kommt uns teuer, aber ein Konkurs der Hypo Alpe Adria im Jahr 2009 hätte das gesamte Bankensystem und damit die Republik gefährdet. Eine Analyse.
Wien. Wären Österreichs Steuerzahler billiger davongekommen, wenn der damalige Finanzminister Josef Pröll die Hypo Alpe Adria in den letzten Tagen des Jahres 2009 nicht notverstaatlicht, sondern ihrem Schicksal – dem sicheren Konkurs – überlassen hätte? Angesichts der Kosten dieser „Rettung“, die am Ende des Tages irgendwo zwischen fünf und zehn Milliarden Euro liegen werden, eine berechtigte Frage.
Zumal nicht nur Verschwörungstheoretikern ein paar Ereignisse in der Hypo-Geschichte seltsam vorkommen. Der Hypo-Totalschaden hat nämlich einige Millionen Verlierer (darunter die österreichischen Steuerzahler), aber auch einige wenige Gewinner hinterlassen. Nicht nur ein paar Auskenner aus dem heimischen Industrie- und Geldadel, die sich an einer Art Vorfinanzierung des Verkaufs der Bank an die Bayern knapp vor dem Crash noch eine goldene Nase verdienen konnten. Sondern auch die anderen Landes-Hypos und die an einigen Hypos beteiligte Raiffeisengruppe, deren Haftungsverbünde für etwas mehr als eine Milliarde Spareinlagen hätten geradestehen müssen. Dass der damalige Finanzminister danach als LLI-Chef zum obersten Müller des Raiffeisen-Reichs befördert wurde, heizt die Gerüchteküche natürlich an.
Aber so einfach ist die Sache nicht. Schauen wir uns an, was bei einem Konkurs der Hypo Alpe Adria passiert wäre: Die Republik wäre auf der Stelle ihre bereits eingeschossenen zwei Mrd. Euro PS-Kapital und ein paar hundert weitere Millionen als Zuschuss zur Einlagensicherung los gewesen. Zudem wären die Haftungen des Landes Kärnten schlagend geworden, die damals noch satte 19 Milliarden ausmachten. Juristen streiten jetzt darüber, ob sofort oder erst später (und damit abgeschwächt). Das Land Kärnten wäre aber jedenfalls ein Konkursfall gewesen – und die Rechnung hätte der Bund beglichen.
Das wären aber nur Kinkerlitzchen gewesen. Denn das Hauptgeschäftsfeld der Hypo war nicht Österreich, sondern Südosteuropa. Die Kärntner waren eine große Nummer in Kroatien, Slowenien, Bosnien und Serbien. Ein Folgekonkurs der Kroatien-Tochter etwa hätte Kroatien zum Pleitekandidaten gemacht. Da wäre kein geringer außenpolitischer Schaden entstanden.
Vor allem aber: Österreich war selbst gerade erst – als erstes EU-Land – gerettet worden. Zwar nur indirekt, aber immerhin: Osteuropa stand nach der Lehman-Pleite vor dem Zusammenbruch, österreichische Banken hatten dort 200 Mrd. Euro (ein klassisches Klumpenrisiko) an Krediten draußen. Ein Osteuropa-Crash hätte die Republik Österreich zum ersten Sanierungsfall in der Eurozone gemacht.
Finanzminister Pröll hatte Anfang 2009 in einer Kraftanstrengung sondergleichen ein von der EBRD, der EIB und der Weltbank mitgetragenes 25-Mrd.-Hilfspaket für Osteuropa initiiert, das letztendlich die österreichischen Banken und damit die Republik rettete.
Dieses Paket wäre wohl verpufft, wenn ein österreichisches Institut unmittelbar danach mehrere südosteuropäische Länder ins Wanken gebracht hätte. Kein Wunder, dass sogar die EZB nervös wurde und der damalige EZB-Chef Jean Claude Trichet sich in der Hypo-Verstaatlichungsnacht per Videokonferenz ins Geschehen einklinkte.
Man soll mit dem Wort „alternativlos“ vorsichtig umgehen. Aber angesichts der internationalen Turbulenzen und deren fataler Folgen für Österreich, die ein Hypo-Crash damals ausgelöst hätte, hatte der Finanzminister der damals ohnehin angeschlagenen Republik Österreich wahrscheinlich keine große Wahl.
Auf einen Blick
Die Notverstaatlichung der Hypo Alpe Adria im Jahr 2009 wird die Steuerzahler zwar viel Geld kosten, hat Österreich aber möglicherweise vor einer Staatskrise bewahrt: Ein Konkurs der Kärntner Pleitebank hätte damals zumindest Kroatien an den Rand der Staatsinsolvenz getrieben – und damit das Osteuropageschäft aller österreichischen Banken gefährdet. Deren Hauptmärkte waren gerade erst von IWF und EBRD gerettet worden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2013)