In Berlin rangen 20 EU-Regierungschefs um neue Wege zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Sie wollen die Jugend von der Straße holen, bevor sie auf die Barrikaden steigt. Sechs Milliarden Euro liegen auf dem Tisch.
Berlin. Fast sechs Millionen Jugendliche ohne Arbeit: Die Mächtigen Europas versuchten am Mittwoch in Berlin, ihre Ohnmacht angesichts dieser Misere zu überwinden. Kanzlerin Merkel gab als Gastgeberin den Tenor vor: Dass so viele junge Menschen in den Euro-Krisenstaaten keine Perspektive haben, sei das „drängendste europäische Problem“, ein „unhaltbarer Zustand“. „Es darf keine verlorene Generation geben.“ 20 Staats- und Regierungschefs und ihre Arbeitsminister haben es plötzlich sehr eilig: Sie wollen die Jugend von der Straße holen, bevor sie auf die Barrikaden steigt.
Konkret ging es um sechs Milliarden Euro aus dem EU-Budget. Man überlegte laut, wie sich diese Mittel und andere Töpfe am wirkungsvollsten einsetzen lassen. Am einfachsten ist die von Brüssel verkündete Jobgarantie zu erfüllen, wenn der Staat als Arbeitgeber einspringt. Mit solchen „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“ haben die Deutschen nach der Wiedervereinigung schlechte Erfahrungen gemacht: Sie kosteten viel Geld, ohne das Problem zu lösen. Auf weniger Skepsis treffen Lohnzuschüsse für Unternehmen, die Jugendliche ausbilden und einstellen. Die Europäische Investitionsbank setzt auf Kredite als Anreiz. Auch die Förderung von Start-ups ist im Gespräch.
Österreich war bei der Konferenz mit Kanzler Faymann und Sozialminister Hundstorfer vertreten. Mit einem eigenen Vorschlag reiste Wirtschaftskammer-Präsident Leitl an: Er will allen Firmen für jeden aufgenommenen Jugendlichen, der sonst keine Stelle gefunden hätte, eine Kredithaftung über 10.000 Euro zukommen lassen. Zudem sollen die Berufsanfänger zwei Jahre keine Steuern zahlen müssen.
Am meisten Erfolg verspricht das duale System. Wo es, wie in Österreich und Deutschland, diese kombinierte Ausbildung in Berufsschulen und Betrieben gibt, ist die Arbeitslosenquote unter den 16- bis 25-Jährigen nur wenig höher als unter Erwachsenen. Freilich lässt es sich nicht von heute auf morgen einführen. Zur Überbrückung plädiert Merkel für Lehrwerkstätten. Leitl fordert, die Jugendlichen „in den Job hineinwachsen zu lassen“, durch Praktika während der Schulausbildung.
Mobilität erhöhen
Ein anderer Weg wäre, die Mobilität zu erhöhen, mit Sprachkursen und Zuschüssen fürs Siedeln. Durch „Erasmus für alle“ sollen nach den Studenten auch Lehrlinge die Möglichkeit haben, einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland zu absolvieren. Die deutsche Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will den Südländern damit nicht die Blüte ihrer Jugend rauben: Die neuen Gastarbeiter sollen, wenn sich zu Hause die wirtschaftliche Lage entspannt, als „überzeugte Botschafter“ der EU heimkehren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2013)