Insolvenzen: Gehen Anleihegläubiger leer aus?

Insolvenzen Gehen Anleiheglaeubiger leer
Insolvenzen Gehen Anleiheglaeubiger leer(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Die gute Nachricht für die Alpine-Gläubiger zuerst: "Strukturierte Nachrangigkeit" bedeutet nicht zwingend, dass sich alle anderen Gläubiger vorher aus der Insolvenzmasse bedienen können.

Wien/B.l./Jh. Nach der Pleite des Baukonzerns Alpine zittern viele der 8000 Gläubiger um ihr Geld. Zuletzt war die Rede davon, dass weniger als zehn Prozent der Forderungen bedient werden dürften. Unter den Gläubigern finden sich Banken, Lieferanten, Subunternehmer, Mitarbeiter und Anleihegläubiger. Letztere haben drei Anleihen im Volumen von 290 Mio. Euro gezeichnet. Die Anleihen wurden von der Alpine Holding ausgegeben. Deren Vermögen besteht im Wesentlichen aus Forderungen an die operative Baugesellschaft Alpine. Und im Anleiheprospekt war von „strukturierter Nachrangigkeit“ die Rede.

Das bedeutet, dass andere Gläubiger vorher bedient werden. Bleibt die Frage, welche. Rechtsanwältin Liane Hirschbrich meint, dass „strukturierte Nachrangigkeit“ lediglich bedeute, dass die Forderungen der Anleihegläubiger gegenüber besicherten Gläubigern nachrangig sind (also etwa gegenüber Banken, die ein Pfandrecht auf Vermögenswerte der Alpine Bau haben). Gegenüber anderen Gläubigern seien die Anleihegläubiger aber nicht nachrangig.

Genussschein-Inhaberin gewinnt

Die Anwältin verweist auf eine OGH-Entscheidung vom Mai 2013 (1Ob34/13a). Dabei ging es um eine Genussschein-Zeichnerin der AvW Gruppe. Das Höchstgericht entschied, dass deren Schadenersatzforderungen nicht nachrangig sind. „Dies muss umso mehr für Anleihegläubiger gelten, die der Gesellschaft durch die Anleihe Kredit geben, während die Genussschein-Inhaber in der betreffenden OGH-Entscheidung eine Beteiligung an dem vom Emittenten (AvW Gruppe) eingesammelten Anlagekapital hatten“, meint Hirschbrich.

Die Expertin beklagt, dass die Risikohinweise in den Anleiheprospekten zu allgemein gehalten seien. „Den Leuten ist nicht immer klar, welches Risiko sie tatsächlich eingehen.“ Die meisten rechneten gar nicht mit dem Risiko, dass ein Unternehmen in Konkurs geht.

Zudem spricht sich Hirschbrich dafür aus, dass die Anleihezeichner erfahren sollten, was mit dem Geld passiert. „Wenn Sie einen Kredit nehmen, müssen Sie der Bank auch sagen, wofür sie das Geld brauchen.“ Im Gesetz sei klar geregelt, dass sich der Anleihegläubiger ein fundiertes Bild über die Anleihe machen kann.

„Ich bin gespannt, ob es bald strafrechtliche und zivilrechtliche Haftungen geben wird im Zusammenhang mit unvollständigen Prospekten Anleihen betreffend“, sagt die Expertin, die auch kritisiert, dass die Prospekte oft auf Englisch verfasst sind. Anlegern rät sie, Hinweise in Prospekten wie „Gläubiger der Teilschuldverschreibungen können im Fall einer Insolvenz der Emittentin möglicherweise überhaupt keine Zahlung von der Emittentin erhalten“ in Zukunft ernst zu nehmen. Auch sollten die Emittenten die Anleihegläubiger auf dieses Risiko besonders hinweisen.

Ratings unter BBB sind „Junk“

Unternehmensanleihen erfreuten sich in den vergangenen Jahren großer Beliebtheit, weil sie bei gleicher Laufzeit oft deutlich höhere Zinsen bieten als Staatsanleihen „sicherer“ Staaten wie Österreich oder Deutschland. Vor dem Kauf sollte man auf das Rating achten. Ratings von BBB oder darüber gelten als Investmentgrade, also relativ sicher (was bedeutet, dass die Ratingagentur nur ein geringes Insolvenzrisiko sieht). Anleihen mit Ratings von BB oder noch schlechter gelten als Junk Bonds. Die Zinsen sind meist deutlich höher, aber auch das Insolvenzrisiko. Gibt es gar kein Rating, ist das Ausfallrisiko für den Laien nicht leicht zu beurteilen – und das Investment jedenfalls riskant. Experten weisen häufig darauf hin, dass Anleihen mit einem Rating knapp unter Investmentgrade (also etwa BB) das beste Rendite-Risiko-Verhältnis haben.

Da viele Investoren (etwa bestimmte Fonds) keine Junk Bonds kaufen dürfen, müssen solche Firmen den Anlegern deutlich höhere Renditen bieten als Unternehmen mit dem Rating BBB – obwohl der Unterschied beim Ausfallrisiko noch nicht so hoch ist. Doch auch diese Aussage ist mit Vorsicht zu genießen: Sie gilt nur für Anleger, die mehrere Anleihen zeichnen, oder für Fonds. Hat man nur eine einzige Anleihe und ist diese ein Junk Bond, muss man sich auf ein höheres Ausfallrisiko einstellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2013)

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