Gesamtschule: Neue Risse in der ÖVP

Gesamtschule Neue Risse oeVP
Gesamtschule Neue Risse oeVP(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Als dritter schwarzer Landeschef nähert sich der Salzburger Wilfried Haslauer an die gemeinsame Schule an. Der Druck auf Parteichef Michael Spindelegger steigt.

Wien/Salzburg. Der ÖVP-Chef hat sich zwar erst kürzlich einigermaßen deutlich ausgedrückt – offenbar aber ohne entsprechende Wirkung. „Eine Gesamtschule mit dem Michael Spindelegger wird es nicht geben. Ich will ein differenziertes Schulsystem“, betonte er vor nicht einmal drei Wochen. Bei einigen seiner Parteikollegen – vor allem bei jenen aus den westlichen Bundesländern – ist das offenbar nicht angekommen, im Gegenteil: In puncto Schulpolitik scheint der Druck auf Spindelegger zu steigen. Und das keine drei Monate vor der Nationalratswahl.

Diesmal ist es Salzburg, das der Linie der Bundespartei entgegensteuert. Nach den ÖVP-Landeschefs von Tirol und Vorarlberg äußert nun auch der neue Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) eindeutige Sympathien für eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen. Seiner Meinung nach könnte die Unterstufe des Realgymnasiums in der Neuen Mittelschule (NMS) aufgehen: „Wir sagen, dass im Endausbau Realgymnasien keine Unterstufe mehr brauchen, dort reicht die Neue Mittelschule aus“, sagte Haslauer laut „Vorarlberger Nachrichten“.

Salzburg will Schulversuch starten

Die acht Jahre dauernde Langform des Gymnasiums sollte es lediglich noch für „spezielle Bildungsbiografien“ geben – beispielsweise für ein Europagymnasium mit vielen Fremdsprachen. Für alle anderen kann sich Haslauer eine gemeinsame Schule vorstellen. Wie Günther Platter in Tirol und Markus Wallner in Vorarlberg will auch er ausprobieren, wie eine gemeinsame Schule funktionieren könnte. Ein Schulversuch in einem Halleiner Gymnasium ist im Koalitionspakt festgelegt, gestartet werden soll im Herbst kommenden Jahres.

Mit diesem Vorstoß des neuen Salzburger Landeschefs wird einmal mehr eine Bruchlinie offenbar, die sich seit längerer Zeit durch die ÖVP zu ziehen scheint – angefangen bei der damaligen Uni-Ministerin Beatrix Karl, die vor drei Jahren für ein „Gymnasium für alle“ plädierte und von der ÖVP-Spitze zurückgepfiffen wurde. Zwischenzeitlich war dann sogar schon von einer „schweigenden Mehrheit pro Gesamtschule“ in der Volkspartei die Rede. Viele könnten – oder dürften – sich lediglich noch nicht zu Wort melden, sagte der frühere steirische ÖVP-Bundesrat Andreas Schnider vor knapp einem Jahr.

Und Tirols Landeschef Platter – der bereits mehrfach öffentlich auf ein Umdenken auf Bundesebene hoffte (und darauf mehrfach ein Nein Spindeleggers ausfasste) – zeigte sich über Haslauer in seiner Reaktion erfreut: „Wir dürfen nicht in den Irrglauben verfallen, dass das derzeitige Schulsystem für die nächsten hundert Jahre in Stein gemeißelt ist“, so Platter. Es müsse möglich sein, dass sich auch die Bundesländer Gedanken darüber machten, wie man das Bildungssystem weiterentwickeln könne.

Rauch beschwichtigt

Innere Zerrissenheit hin oder her: Die offizielle Parteilinie blieb davon (jedenfalls vorerst) unberührt. Am achtjährigen Gymnasium wird nicht gerüttelt. Nicht zuletzt ist gerade Wahlkampf – nicht gerade die beste Zeit für öffentlich geführte interne Debatten.

Und so versucht die Bundespartei auch angesichts Haslauers Wortmeldungen zu beschwichtigen. Der Salzburger Landeschef sei wohl falsch verstanden worden, interpretiert Generalsekretär Hannes Rauch (ÖVP) die Aussagen: Er habe nie gesagt, dass er die Langform des Gymnasiums abschaffen wolle. Ein Schwenk in Richtung Gesamtschule sehe jedenfalls anders aus, sagt Rauch.

Auf einen Blick

Tirol scherte im Vorjahr als erstes ÖVP-Bundesland aus der Parteilinie aus. Landeschef Günther Platter kündigte eine Modellregion für die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen im Zillertal an. Laut schwarz-grünem Koalitionspapier soll bald ein Schulversuch an einem Innsbrucker Gymnasium starten.
Vorarlbergs
Landeschef Markus Wallner ist ebenfalls offen für die gemeinsame Schule. Das Land will ähnlich wie Tirol ein regionales Forschungsprojekt umsetzen.

Salzburgs schwarz-grün-gelbe Regierung hat einen Schulversuch fixiert, der im Herbst 2014 an einem Halleiner Gymnasium starten soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2013)

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