Yilmaz: „Fataler Umgang mit der Türkei“

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Yilmaz(c) APA (SPOE/INGO PERTRAMER)
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Nurten Yilmaz wird die erste SP-Abgeordnete mit Migrationshintergrund im Parlament. Der EU attestiert sie mangelnde Reife im Umgang mit der Türkei.

Die Presse: Sind Sie die Quotenmigrantin der SPÖ?

Nurten Yilmaz: Ich bin die Kandidatin eines Arbeiterbezirks.

Nachdem Sie auf einem fixen Listenplatz als erste SP-Abgeordnete mit Migrationshintergrund ins Parlament kommen, liegt der Verdacht nahe.

Eine Quotenmigrantin wäre ich, wenn gesagt worden wäre: Ich muss auf die Liste, weil es eine zentrale Notwendigkeit ist – ähnlich der Frauenquote. Das war nicht der Fall. Ich bin von meinem Bezirk nominiert worden.

Sie gelten in der Wiener SP als streitbare Politikerin, die nicht gegen die eigene Überzeugung abstimmt. Also auch gegen die Parteilinie. Werner Faymann wird wenig Freude mit Ihnen haben.

Ich weiß es nicht. Unsere Zusammenarbeit wird sich über andere Dinge als Freude definieren.

Im Parlament werden Sie sich um Integration kümmern. Hat Staatssekretär Sebastian Kurz, außer PR-Maßnahmen, etwas bewegt?

Er hat die ÖVP in der Frage der Integration und der Menschenrechte umgedreht. Da war durch ihn schon ein anderer Wind.

Sind türkische Demos in Wien für Erdoğans gewaltsames Vorgehen gegen Demonstranten demokratiepolitisch nicht bedenklich?

Da demonstrieren Leute für jemanden, der das Demonstrationsrecht in seinem Land mit Füßen tritt. Für die Demonstranten in Wien wurden Straßen gesperrt, sie wurden von der Polizei begleitet. Ich hoffe sehr, diese Demonstranten haben dabei mitgenommen, was es bedeutet, in einer Demokratie zu leben.

Apropos Demokratie: Peter Pilz schlägt vor, bei der Staatsbürgerschaft zu prüfen, ob jemand die demokratischen Werte respektiert.

Anzusehen, welcher Zugang zu unseren Werten besteht, finde ich menschenverachtend. Wir haben die Demokratie erkämpft. Auf dieser Basis müssen alle hier leben.

Und wenn jene, welche die österreichische Staatsbürgerschaft wollen, diese Werte ablehnen?

Dann werden sie es mit uns zu tun bekommen – wie auch jene, die in Österreich geboren sind und die demokratischen Regeln nicht akzeptieren wollen.

Ist die Verschiebung der Verhandlungen zum EU-Beitritt der Türkei als Reaktion eine passende Antwort?

Sie ist kindisch. Wo ist die europäische Reife? Gerade jetzt muss man mit der Türkei umso intensiver diskutieren.

Die EU muss ein Signal setzen, dass demokratische Grenzen nicht überschritten werden dürfen.

Das kann man der Türkei auch in den Gesprächen sagen. Wie man in all den Jahren mit der Türkei umgegangen ist, finde ich fatal.

Trotzdem muss sich die EU überlegen, wie sie auf ein autoritäres und gewalttätiges Vorgehen reagiert.

Man muss auch überlegen, wie man mit einem Land umgeht, in dem ein Viktor Orbán regiert. Oder wie ein Land mit seinen Minderheiten umgeht – mit Roma und Sinti. Die EU hat also auch andere Baustellen. Deshalb wissen sie nicht, wie sie mit der Türkei umgehen sollen.

Soll die Türkei der EU beitreten?

Für eine Partnerschaft unter gemeinsamen Werten und Regeln müssen immer beide Seiten bereit sein. Wenn das zwischen der EU und der Türkei der Fall ist, bin ich absolut für eine Aufnahme der Türkei.

Wie sehen Sie dann die Rolle der AKP?

Sie sind demokratisch gewählt und ziehen ihr Programm durch. Das ist aber nicht mein Programm.

Dann müssten Sie Probleme mit den vielen Wiener Vereinen haben, die der türkischen Regierung unterstehen und Erdoğans Politik vertreten.

Sie sind nicht vom türkischen Staat gesteuert, sie werden von ihm unterstützt. Deshalb gibt es natürlich Diskussionen. Aber die AKP ist nicht meine Partei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2013)

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