Die Anklage wirft Alexej Nawalny vor, ein staatliches Unternehmen geschädigt zu haben. Die Ermittler hatten die Causa schon einmal fallengelassen. Die Wiederaufnahme dürfte politische Gründe haben.
"Veruntreuung in besonders großem Umfang". Darauf lautet die Anklage in dem Prozess gegen den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny, der am 17. April 2013 in der russischen Provinzstadt Kirow begann. Konkret wirft die Staatsanwaltschaft dem oppositionellen Blogger vor, eine kriminelle Vereinigung gegründet zu haben, über die er dem staatlichen Forstbetrieb Kirowles 2009 die Menge von rund 10.000 Festmetern Holz deutlich unter Marktwertt abgeluchst haben soll. Der wichtigste Belastungszeuge ist dabei der ehemalige Chef von Kirowles. Er hat in einem separaten Verfahren seine Komplizenschaft gestanden und wurde bereits verurteilt.
Ex-Minister fühlt sich an Sowjetära erinnert
Rund um diese Anklage gegen Nawalny gibt es allerdings eine Reihe von Merkwürdigkeiten: Laut FAZ wurde etwa als Schadenssumme nicht die Spanne zwischen dem tatsächlichen Verkaufspreis und dem damaligen Marktpreis veranschlagt, sondern der gesamte Kaufpreis von umgerechnet 440.000 Euro. Zudem zitiert die Zeitung Russlands Ex-Finanzminister Kudrin mit den Worten, die Causa gehöre eigentlich vor ein Zivil- nicht ein Strafgericht. Er fühle sich bei der Lektüre der Anklage wie auf einer Zeitreise zurück in die Ära sowjetischer Planwirtschaft, meinte Kudrin weiter und spielte damit auf die Tatsache an, dass es offenbar als verboten angesehen werde, Güter unter einem festen Preis zu verkaufen.
Prozess mit politischer Schlagseite
Eine niederrangige Staatsanwaltschaft hatte in der Sache schon einmal gegen Nawalny ermittelt, damals waren die Untersuchungen allerdings eingestellt worden, die Vorwürfe wurden fallen gelassen. Doch dann kam Alexander Bastrykin ins Spiel. Russlands oberster Ermittler hatte noch eine Rechnung mit dem Oppositionellen offen und orndnete die Eröffnung eines neuen Verfahrens an. Der Sprecher Bastrykins räumte sogar unverblümt die politische Schlagseite der Anklage ein: "Wenn jemand versucht, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen oder die Obrigkeit ärgert, dann ist natürlich das Interesse größer, ihn bloßzustellen", zitiert ihn der britische "Economist".
Nawalny selbst rechnet - so wie auch viele Beobachter - mit einer Verurteilung: "Ich habe meine Tasche fürs Gefängnis bereits gepackt", sagte er schon vor Beginn des Prozesses. Einschüchtern lassen will er sich in seiner Kreml-Kritik von diesen Aussichten allerdings nicht.
(hd)