Der ORF und die Qualitätsserien

Qualitaetsserien
Qualitaetsserien(c) APA/ORF/BAVARIA/Mike Koll�ffel (ORF/BAVARIA/Mike Koll�ffel)
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Das Segment der internationalen Qualitätsserien hat der ORF in den vergangenen Jahren weitgehend ignoriert. Ab Sonntag zeigt er das Politdrama "Borgen", im Spätabendprogramm.

Das dänische Politdrama "Borgen - Gefährliche Seilschaften", von Kritikern als eine der besten politischen TV-Serien der Gegenwart gehandelt, kommt ins österreichische Fernsehen. Der ORF zeigt die Serie, die vor eineinhalb Jahren auf Arte lief, ab Sonntag im Spätabendprogramm ab 22:45 Uhr in ORF 2. Der öffentlich-rechtliche Sender hat das Segment der internationalen Qualitätsserien bisher weitgehend ignoriert. Was nicht dem vermeintlichen Mainstream entsprach, wurde entweder ins Nachtprogramm verräumt oder gar nicht erst gesendet.

Im Vorjahr zegite man die bejubelte BBC-Produktion "Sherlock". Doch andere, ähnlich anspruchsvolle Formate wie "Breaking Bad", "Mad Men", "Game of Thrones", "Boardwalk Empire", "Downtown Abbey", "Homeland", "True Blood", "Enlightened", "Entourage", "Curb your enthusiasm", "The Walking Dead", "Luther", "Die Brücke" und noch einiges mehr - im ORF war davon nichts zu sehen.

Renaissance des Erzählfernsehens

Dabei haben aufklärerische, intelligente und gleichermaßen unterhaltsame Inhalte, weit gespannte Erzählbögen und verzweigte Charakterkonstellationen in der vergangenen Jahren zu einer Renaissance des Erzählfernsehens geführt und dem Kino in Sachen epischer Darstellungsform in mancher Hinsicht den Rang abgelaufen. Kritiker bejubeln Qualitätsserien wie "Die Sopranos", "The Wire" "Breaking Bad", "Mad Man", "Borgen" oder "Downtown Abbey". Die produzierenden Sender, allen voran der US-Pay-TV-Sender HBO, erreichen mit ihren Serien ein Millionenpublikum.

Frank Kelleter, Lehrstuhlinhaber für Englische Philologie an der Uni Göttingen, verglich etwa US-Qualitätsserien in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit "großer Literatur". "Serien halten für jedes gestresste Gemüt die Lösung eines Problems bereit. Sie helfen uns dabei, die neoliberale Arbeitswelt zu ertragen. Sie sind kein Eskapismus, sondern Training", so Kelleter.

Zarte Versuche im ORF

Man würde ja gerne Qualitätsserien zeigen, in Österreich und im ORF würde diese aber niemand schauen wollen, hieß es dazu in der Vergangenheit aus dem öffentlich-rechtlichen Sender. Wenn man dem Publikum über Jahre nur leichte und seichte Kost serviere, dürfe man sich nicht wundern, wenn das Publikum nicht sofort anspringt, erst recht nicht vor Mitternacht, hielten dem diverse TV-Kritiker entgegen.

Die zarten ORF-Versuche in Sachen Qualitätsserien blieben dann auch noch unbelohnt, was oft an mutloser Programmplanung lag. Vor zehn Jahren startete der ORF mit "The Sopranos" einen ersten Versuch und zeigte die Serie Donnerstags kurz vor Mitternacht. Die in den USA immens erfolgreiche Mafia-Geschichte hob nicht ab, ebensowenig wie der dänische Exportschlager "Kommissarin Lund" im Freitag-Spätabend während der TV-Nebensaison im Sommer. Die weiteren Staffeln fanden erst gar nicht mehr den Weg ins Programm.

Die US-Serie "Six Feet Unter" landete im Spätabend und wurde mangels Publikumszuspruchs wieder gestrichen. Und Qualitätsformate wie "Dexter", "Nurse Jackie" oder "Californication" mussten und müssen ihr programmliches Dasein ebenfalls um Mitternacht herum fristen, die HBO-Monumentalserie "Rom" war ebenfalls erst ab 22 Uhr zu sehen, wohl mitunter wegen der freizügigen Szenen.

Mainstream im Hauptabend

Im Hauptabend setzte und setzt der ORF vorwiegend auf mainstreamiges wie die im deutschsprachigen TV-Markt inzwischen zu Tode gespielte Krimi-Reihe "CSI", Ärzteserien à la "Grey's Anatomy" oder überhaupt auf leichtgewichtige deutsche Serienkost. Immerhin, mit "Dr. House" setzte der Öffentlich-Rechtliche auf Kultiges im Hauptabend.

Dass mutige Programmierung von Qualitätsserien durchaus ihr Publikum finden kann, hat übrigens erst vor einigen Monaten der heimische Privatsender ATV vorgezeigt. Das britische Format "Downtown Abbey" wurde einfach in den Sonntag-Hauptabend platziert und erzielte dort auf Anhieb über 300.000 Zuseher.

ORF will auch "House of Cards" zeigen

Der ORF versucht es hingegen weiter im Spätabend. Neben "Borgen" soll der ORF auch an der US-Polit-Serie "House of Cards" dran sein. Das Format mit Kevin Spacey und Robin Wright in den Hauptrollen spielt in der gleichen hochklassigen Kategorie wir "Borgen" und war bisher nur im Pay-TV zu sehen. Für das Genre der Qualitätsserien könnte der gegenwärtige Sparkurs im ORF sogar eine kleine Chance bieten, gilt es doch, frei werdende Sendeplätze, die bisher mit teureren Eigenproduktionen bespielt wurden, mit günstigeren Serien zu füllen.

Freilich haben den klassischen TV-Sendern in Sachen Serienkonsum ohnehin längst neue "Kanäle" wie DVDs, nicht immer ganz legale Internet-Streaming- und Download-Plattformen oder Bezahl-Plattformen wie Netflix oder Sky Go den Rang abgelaufen. Serienjunkies wollen ihre Lieblingsserien schließlich sofort und wann immer sie wollen sehen.

(APA/Red.)

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