Mitarbeiter: "Wir fühlen uns im Stich gelassen"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Verkäuferinnen von Dayli stehen nach der Schlecker-Pleite zum zweiten Mal vor dem Nichts. Dayli ist nach einem Jahr mit großen Plänen weiterhin, was Schlecker war: eine Kette mit schlechten Standorten und ohne echtes Konzept.

War früher doch alles besser? Diese Frage stellen sich gerade einige Verkäuferinnen von Dayli, die schon bei Schlecker gearbeitet haben und jetzt zum zweiten Mal um ihre Arbeitsplätze bangen müssen: „Ich habe damals auch die Schlecker-Zeit miterlebt und muss sagen, dass es uns damals besser ging. Zwar gab es viel Getratsche, aber das war größtenteils unbegründet“, findet eine Verkäuferin in Wien-Favoriten. „Wir fühlen uns jetzt alle im Stich gelassen. Und das ausgerechnet von der Firma, die sich anfangs als großer Retter aufgespielt hat.“

Ihren Namen will die Verkäuferin nicht nennen. Da ist die Angst davor, dass die Firmenleitung das mit Repressalien quittieren könnte, doch zu groß. Noch dazu, wo die Mitarbeiter per Fax am Dienstag die Anweisung ereilte, dass gegenüber Journalisten Redeverbot gelte. Ein Déjà-vu. In den letzten Tagen von Schlecker erhielten die Verkäuferinnen ähnliche Instruktionen.

„Schlecker hat Gehalt bezahlt“

Dabei wollte Sanierer Rudolf Haberleitner doch aufräumen mit der repressiven Mitarbeiterpolitik, die maßgeblich für das schlechte Image von Schlecker war. Bezahlung unter dem kollektivvertraglichen Mindestlohn und regelmäßige Taschenkontrollen waren an der Tagesordnung. Gut, da habe sich schon einiges verbessert, gesteht die neue Vorsitzende des Betriebsrates, Gertrud Pronegg. „So krass wie früher ist das heute nicht mehr. Aber im Gegensatz zu Dayli haben wir bei Schlecker wenigstens bis zum Schluss unser Gehalt verlässlich bekommen.“ Derzeit warten rund 3400 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf ihr Juni-Gehalt und aufs Urlaubsgeld. Dieses hätte man eigentlich ohne Probleme bezahlen können, behauptete Dayli-Geschäftsführer Haberleitner am Donnerstag im ORF. Aber sein Anwalt habe ihm davon abgeraten, weil ihm sonst Gläubigerbenachteiligung vorgeworfen werden könne. Den Mitarbeitern werden Medienberichte vom Samstag jedenfalls wie ein Hohn vorkommen: Bei jener Million Euro, um die Haberleitner unlängst in Italien erleichtert wurde („Causa Geldkoffer“), soll es sich um Firmenvermögen gehandelt haben.

Neben den Mitarbeitern schuldet das insolvente Unternehmen 1300 weitere Gläubigern, hauptsächlich Lieferanten, Geld. Ihnen hat Dayli im vorgelegten Sanierungsplan eine Quote von 25 Prozent angeboten. Nach jetzigem Stand hat Dayli Passiva von 56 Millionen Euro angehäuft.

Kein klares Konzept

Alles hatte so schön begonnen. Im April verkündete Haberleitner, er wolle der aussterbenden Kaste der regionalen Gemischtwarenhändler wieder Leben einhauchen. Dayli sollte der Tante-Emma-Laden des 21. Jahrhunderts werden und leer gefegte Ortskerne neu bevölkern. Anbieten wollte man neben Drogerieartikeln auch Lebensmittel, Mode, Consumer-Elektronik, Haushaltsprodukte und Bürowaren. Außerdem ein Sammelsurium von Dienstleistungen, vom Autoverleih über Home-Officedienste bis zur Putzerei. Ein unausgereiftes Konzept, monierten schon damals Handelsexperten. Aber immerhin: Dass Haberleitner den heruntergekommenen Filialen ein neues Design verpassen wollte, wurde wohlwollend aufgenommen. Allein: Das nötige Geld dafür fehlte von Anfang an. Haberleitner bezifferte die Kosten für den Umbau der 885 österreichischen Standorte mit 114 Millionen Euro. Geld, das er sich von Banken oder Investoren holen wollte.

Kalte Füße

Dann eskalierte der Streit um die Sonntagsöffnung, die in Wahrheit das einzige Alleinstellungsmerkmal gewesen wäre, das Dayli von der starken Konkurrenz (DM, Bipa, Müller) in einem gesättigten Markt abgehoben hätte. Als Haberleitner die ersten renovierten Filialen mit Bistro-Ecke und Gastronomiekonzession auch am Sonntag aufsperrte, lief die Gewerkschaft Sturm und erwirkte eine Änderung der Gewerbeordnung, die die Sonntagspläne vereitelte.

Da bekam der Dayli-Hälfteeigentümer, der Glücksspielkonzern Novomatic, kalte Füße und gab seine Anteile an Haberleitner ab. Laut dem Nachrichtenmagazin „Profil“ hat das schlimme finanzielle Konsequenzen für Novomatic: Zusätzlich zu einem bekannten Darlehen in Höhe von zehn Millionen Euro hat der Konzern weitere 15 Millionen als nicht rückzahlbaren Gesellschafterzuschuss in Dayli gesteckt.

Mit dem Abschied von Novomatic begann die fieberhafte Suche nach einem neuen Investor, der Roll-out für die neuen Filialen und die Expansionspläne wurden immer weiter verschoben. Haberleitner gibt seither die Schuld an seinen Geldproblemen der Gewerkschaft.

Im Grund hat Haberleitner bis dato aber einfach kein Konzept präsentieren können, das wirklich überzeugt. Jetzt soll der neue Eigentümer, Haberleitner-Intimus Martin Zieger, die Eisen aus dem Feuer holen. Im Gegensatz zu Haberleitner hat der Ex-Palmers- und Vögele-Manager in Handelskreisen immerhin einen guten Ruf.

Gana Margaryan, die einzige Dayli-Verkäuferin in Wien, die ihren Namen nennen will, sieht im Führungswechsel einen Lichtblick: „Das gibt mir Hoffnung. Wie es weitergehen wird, weiß ich nicht. Aber ich bleibe optimistisch – mehr bleibt einem nicht übrig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2013)

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