Schuldenkrise: Griechenland schafft die Wende nicht

Griechenland schafft Wende nicht
Griechenland schafft Wende nicht(c) REUTERS (YANNIS BEHRAKIS)
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Die Regierung spart stärker als alle anderen, aber das Land kommt dennoch nicht auf die Beine. Die nächste Hilfstranche wurde dennoch in Brüssel fixiert.

Brüssel. „Hände weg von den Kommunen“, skandierten die städtischen Bediensteten am Montag in den Straßen von Athen und Thessaloniki, während Petenten vor verschlossenen Bürostuben standen. Doch für griechische Verhältnisse war der jüngste Protest der Beamten eine geradezu harmlose Veranstaltung: Die Demos waren gewaltlos und der Streik nicht flächendeckend, denn Einrichtungen für Ältere und Bedürftige blieben gestern offen. Das könnte sich allerdings rasch ändern, wenn die Regierung in Athen endlich jenen Schritt setzt, auf den die Dreifaltigkeit der internationalen Geldgeber seit Jahr und Tag drängt: die Verkleinerung des Beamtenapparats.

Der jüngste Krankenbericht der Troika (EU, EZB und IWF) stimmt nur bedingt zuversichtlich, denn nach Ansicht der Aufseher ist Griechenland bei den Reformen im Verzug. Die bis September zugesagte Reduktion der Beamtenstellen um 12.500 bleibt ebenso ein Wunschtraum wie erhoffte Privatisierungserlöse. Nichtsdestoweniger hat das griechische Versprechen von „korrigierenden Maßnahmen“ dafür ausgereicht, dass die nächste, 6,8 Milliarden Euro schwere Tranche des Hilfspakets im Laufe des Sommers nach Athen überwiesen wird. Darauf verständigten sich die internationalen Geldgeber Montagabend.
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Es seien mehrere Ratenzahlungen geplant, berichteten Diplomaten am Montag in Brüssel am Rande von Beratungen der Euro-Finanzminister. Österreichs Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) hatte sich im Vorfeld des Eurogruppen-Treffens für die Auszahlung der Gesamtsumme ausgesprochen.

Drakonische Etatkürzungen

Griechenland zeigt vor, dass Sparen allein die Krise nicht löst. Der Staatshaushalt wurde seit 2009 von 125 Milliarden auf nur noch 87 Milliarden Euro zusammengestutzt. In den ersten fünf Monaten 2013 gingen die Ausgaben auf Jahressicht um weitere 25 Prozent zurück. Dennoch fehlt dem Land schon wieder Geld für die Rückzahlung seiner Schulden. Die Sanierung stockt, auch weil das wirtschaftliche Umfeld in Europa wenig Dynamik zulässt und Investoren Mangelware geworden sind.

Weil die griechischen Staatsbetriebe derzeit einfach nicht an den Mann zu bringen sind, hat die Troika die Zielvorgaben für die Privatisierung dieses Jahr von 2,6 auf 1,6 Mrd. Euro gesenkt. Erst Anfang Juni war ein Verkauf der staatlichen Erdgasfirma Depa an den russischen Riesen Gazprom gescheitert. Der Privatsektor verspricht derzeit auch keine weiten Sprünge. Das wird vor allem in der Entwicklung der KMU deutlich. Laut Prognose der Kammer für Klein- und Mittelbetriebe werden rund 60.000 Unternehmen dieses Jahr ihren Betrieb einstellen. Das bedeutet einen weiteren Zuwachs an Arbeitslosen und sinkende Steuereinnahmen. Viele Strukturreformen wie die Erleichterungen bei Firmengründungen wurden begonnen, zeigen aber noch keine Erfolge.

Einziger Hoffnungsträger ist der Tourismus. Im Frühjahr rechneten Branchenvertreter für dieses Jahr mit einer Steigerung von zehn Prozent des Umsatzes. Nach jüngsten Ausschreitungen in der Türkei und in Ägypten könnte sich diese Prognose sogar noch verbessern, weil viele Urlauber nach Griechenland ausweichen. Mindestens 17Millionen Besucher werden in diesem Sommer erwartet – so viele wie nie zuvor. Das größte Problem der Tourismusbranche sind aber sowieso nicht die Gäste, sondern die allzu kurze Saison. Sie dauert lediglich sechs Monate, danach stehen die meisten Betriebe still. Für neue Angebote müsste etwa in den Kulturtourismus investiert werden, aber genau diese Investitionen fehlen.

Diese Details verdecken allerdings die Sicht auf das dahinterliegende Grundproblem: Seit Jahren erweisen sich die Prognosen der Retter als zu optimistisch. So geht die EU-Kommission in ihrer jüngsten Vorschau davon aus, dass die griechische Wirtschaft 2014 wachsen und der Staatshaushalt bereits dieses Jahr einen strukturellen (also um den Schuldendienst bereinigten) Überschuss von zwei Prozent des BIPs aufweisen wird. Für dieses Wunder nach fünf Jahren Rezession sollen demnach Exporte, Fremdenverkehr sowie steigende Lagerbestände der griechischen Firmen sorgen.

Doch mittlerweile weigert sich der IWF, dieses Spiel mitzuspielen: Anfang Juni räumte der Währungsfonds ein, dass die Rezession tiefer, der innenpolitische Widerstand härter und die Ratlosigkeit der EU-Helfer größer war als angenommen. In Brüssel löste diese öffentliche Selbstgeißelung eine Trotzreaktion aus, die Kritik am Krisenmanagement der Union ist aus Sicht der Kommission „falsch und unbegründet“. Einziger Trost: Wie am Montag aus Diplomatenkreisen zu vernehmen war, sind die Wogen zwischen EU und IWF mittlerweile geglättet. Die Sisyphusarbeit kann also weitergehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2013)

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