Ein ziemlich teures und abschreckendes Beispiel

Die Euro-Finanzminister drücken sich noch immer davor, ihren Steuerzahlern in Sachen Griechenland-Hilfe reinen Wein einzuschenken.

Gestern erlebte Brüssel wieder einmal das schon gewohnte, alle paar Monate stattfindende Griechenland-Ritual: Die Finanzminister der Eurozone kommen zusammen, diskutieren den jüngsten Bericht der Troika, loben „Fortschritte“ und kritisieren gleichzeitig mit Sorgenfalten auf der Stirn, dass diese „zu langsam“ vor sich gehen. Daraufhin gibt man die nächste Hilfstranche frei. Wieder ein paar Milliarden, mit denen man sich weitere Zeit erkauft. Denn vor den deutschen Wahlen im Herbst darf die Wahrheit einfach nicht auf den Tisch.

Die lautet, wie hier in den vergangenen Monaten schon mehrfach dargestellt: Griechenland ist trotz des jüngsten Haircut (private Gläubiger haben dabei etwas mehr als 50 Prozent verloren) schon wieder (bzw. noch immer) zahlungsunfähig. Der Schuldenstand ist nach wenigen Monaten wieder dort, wo er vor dem letzten Schuldenschnitt war. Und dieser Schuldenstand von schon wieder rund 170 Prozent des BIPs ist für das Land nicht zu schultern. Was immer die Regierung für Reformen angeht – wenn der Zinsendienst 20, 30 oder mehr Prozent der Staatseinnahmen wegfrisst, dann hilft selbst ein Nulldefizit nicht mehr gegen den Bankrott.

Die vergangenen Hilfszahlungen an Griechenland sind zu annähernd siebzig Prozent in Form von Zinsen wieder in die Geberländer zurückgeflossen, haben den Griechen also verdammt wenig Nutzen gebracht. Das war in Wirklichkeit eine ziemlich hirnbefreite Umverteilung von europäischen Steuerzahlern zu europäischen Banken über den Umweg Athen.

Und der Haircut für private Gläubiger passt genau in dieses Schema: Private Gläubiger waren natürlich auch die wackelnden griechischen Banken, die mussten deshalb gleich nach dem „Haarschnitt“ mittels europäischer Hilfskredite rekapitalisiert werden – was die griechischen Staatsschulden schon im Augenblick des Schuldenschnitts gleich wieder hochschnalzte.

Mit anderen Worten, die bisherige „Griechen-Rettung“ eignet sich gut als ziemlich teures abschreckendes Beispiel dafür, wie man es nicht macht. Das war der gescheiterte Versuch, Zeit zu gewinnen. Geboren aus dem (verständlichen) Wunsch, sich vor der (für die eigenen Steuerzahler unangenehmen) Wahrheit und damit vor der Basisentscheidung zu drücken.

Und die lautet: Will man Griechenland zu hohen Kosten im Euro halten, oder will man den ungeordneten Austritt eines Landes aus der Gemeinschaftswährung riskieren, was wegen der erwartbaren Reaktion der Finanzmärkte und des bereits eingegangenen Engagements ebenfalls mit sehr hohen Kosten verbunden wäre?

Da die Tendenz offenbar in Richtung Verbleib geht, muss man daraus auch die Konsequenzen ziehen. Die wichtigste: ein neuerlicher Schuldenschnitt, der die Staatsschuld nachhaltig zumindest in die Gegend von 100 Prozent bringt und damit den Zinsendienst wieder leistbar macht. Nachdem Griechenland praktisch nur noch staatliche Gläubiger hat, geht dieser Haircut direkt in die Budgets der Euroländer. Womit endgültig die Steuerzahler ihren „Haarschnitt“ bekommen. Eine Alternative dazu gibt es aber nicht. Außer man will das Geldringelspiel aus Finanzhilfen, die gleich wieder als Zinsen zurückfließen, ewig weiterführen.

Parallel dazu braucht es viel beherztere Unterstützung bei den Reformen in Griechenland selbst. Denn wenn es nicht gelingt, die unglaubliche Alltagskorruption („Fakelaki“) unter Kontrolle zu bringen, die Steuereintreibung zu verbessern, Rechtssicherheit für Investoren zu schaffen, die vernachlässigten wichtigen Wirtschaftszweige (etwa den Tourismus) auf Vordermann zu bringen, dann sind die besten Finanzhilfen auf Dauer verlorenes Geld. Das alles braucht, ebenso wie der Abbau der unglaublich aufgeblähten Bürokratie, natürlich Zeit und ein wenig Geduld.

Es funktioniert aber selbst beim besten Willen aller Beteiligten nur, wenn der Staat Spielraum hat und nicht den Großteil seiner Steuereinnahmen als Zinsen ins Ausland überweist. Anzunehmen, dass das die Euro-Finanzminister auch wissen. Ist es dann zu viel verlangt, dass sie auch danach handeln?

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2013)

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