Papst setzt Zeichen auf Lampedusa

Papst setzt Zeichen Lampedusa
Papst setzt Zeichen Lampedusa(c) EPA (CIRO FUSCO)
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Seine erste Reise führte Papst Franziskus auf die süditalienische Insel. Dort geißelte er mit scharfen Worten die Indifferenz gegenüber der Not der Gestrandeten.

Rom. Der Papst, der so gerne lacht, der die Gläubigen zu Beginn seiner Messen jeweils mit einem „Buongiorno“ begrüßt und ihnen zum Abschied einen „Guten Appetit“ wünscht, kann auch anders. „Wer ist verantwortlich für das Blut dieser Brüder und Schwestern? Niemand! Alle sagen: Ich habe damit nichts zu tun“, donnerte Papst Franziskus in seiner Messe auf dem Sportplatz der Insel Lampedusa.

Die „Kultur des Wohlergehens“ habe die Menschen taub gemacht für die „Schreie der anderen“. „Wir haben uns an das Leid der anderen gewöhnt. Es geht uns nichts an, es interessiert uns nicht“, rief der Papst. Die globalisierte Welt sei in eine „globalisierte Gleichgültigkeit“ verfallen.

Vor der Messe ließ sich Franziskus mit einem Schnellschiff der Küstenwache aufs Meer hinausfahren, um für die ertrunkenen Flüchtlinge einen Blumenkranz in die Wellen zu werfen und für sie zu beten. Seit dem Jahr 2005 sind rund 30.000 schiffbrüchige Flüchtlinge aus dem Meer gefischt worden. Andere hatten weniger Glück: Laut Schätzungen sind in den vergangenen 25 Jahren etwa 20.000 Immigranten im Mittelmeer umgekommen. In seiner Messe klagte der Papst: „Wir leben in einer Gesellschaft, die die Erfahrung des Weinens vergessen hat.“

Sensibilisierung für Flüchtlinge

Dass Franziskus für seine erste Papstreise außerhalb Roms Lampedusa gewählt hat, wird nicht nur von den Inselbewohnern, sondern auch von Flüchtlingsorganisationen als wichtiges Zeichen gewertet. Laurent Jolles, der für Südeuropa zuständige Repräsentant des UN-Flüchtlingswerks UNHCR, erklärte, die Reise des Papstes habe „einen großen menschlichen und symbolischen Wert“ und werde dazu beitragen, die öffentliche Meinung für das Schicksal der 45 Millionen Flüchtlinge zu sensibilisieren. Der im Vatikan für Flüchtlinge zuständige Kardinal, Antonio Maria Vegliò, bezeichnete den Papstbesuch als Signal an die Regierungen der ganzen Welt, ihre Einwanderungspolitik zu überdenken.

Gefordert wären zunächst einmal vor allem Italien und seine EU-Partner. Roms Flüchtlingspolitik ist von einem gewissen Hang zur Improvisation gekennzeichnet, der in Zeiten großen Ansturms regelmäßig zu unhaltbaren humanitären Zuständen führt, besonders in Lampedusa. So waren nach dem Arabischen Frühling 2011 auf dem Sportplatz, wo Franziskus seine Messe hielt, tausende von nordafrikanischen Flüchtlingen zusammengepfercht.

Andererseits sehen die Italiener nicht ein, warum sie alleine für die Flüchtlinge zuständig sein sollen, nur weil Lampedusa zufälligerweise italienisches Territorium ist, kaum 100 Kilometer vor der tunesischen Küste liegt und sich damit für die Migranten aus Afrika als „Tor zu Europa“ geradezu anbietet. Der Verweis aus Brüssel und Berlin, so funktioniere eben der Schengen-Vertrag, wird in Rom als egoistisch empfunden.

Der nüchterne, aber bewegende Lampedusa-Besuch des Papstes ist ein klarer Bruch mit den Reisen seines Vorgängers. Jorge Bergoglio, der Einwanderersohn aus der südlichen Hemisphäre, sieht die Welt naturgemäß mit anderen Augen als Benedikt XVI. und setzt andere Schwerpunkte. Franziskus will eine „Kirche der Armen für die Armen“, und in Lampedusa fand er „jene Brüder und Schwestern, die unserer Hilfe am dringlichsten bedürfen“. Das protzige Mercedes-Papamobil blieb im Vatikan. Auf der Insel bewegte sich der argentinische Papst in einem alten Jeep, den ein Bauer zur Verfügung stellte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2013)

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