Tschechien: Zeman ignoriert das Parlament

Tschechien Zeman ignoriert Parlament
Tschechien Zeman ignoriert Parlament(c) REUTERS (PETR JOSEK)
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Der Präsident ernannte am Mittwoch eine neue Regierung, an den politischen Mehrheiten vorbei. Die bisherigen Regierungsparteien schäumen und sinnen auf Rache.

Prag. Mit einem Bus, nicht in ihren Dienstlimousinen, fuhren Mittwochvormittag die Mitglieder der neuen tschechischen Regierung zu ihrer Ernennung durch Präsident Miloš Zeman vor der Prager Burg vor. Gemeinsamkeit und wohl auch ein bisschen Trotz sollten damit demonstriert werden.

Das Kabinett unter dem Wirtschaftsexperten Jiři Rusnok ist kein normales. Es ist ein sogenanntes „Expertenkabinett“, das die über einen massiven Korruptions- und Abhörskandal gestolperte Mitte-rechts-Regierung von Petr Nečas ablöst. Zudem ist es ein Kabinett, das schon bei der Vertrauensabstimmung im Parlament, die binnen 30 Tagen abgehalten werden muss, scheitern dürfte.

Eingefädelt hat den Regierungswechsel Zeman selbst. Der ignorierte, dass die Regierung Nečas auch ohne Nečas weiterhin über eine knappe Mehrheit im Parlament verfügt. Diese Regierung sei derart unbeliebt im Volk, dass ihr Ansehen auch nicht steigen würde, wenn man nur den Premier austauschte, sagte er. Überdies hätte er seinen Wählern versprochen, ein Ende des bürgerlichen Kabinetts herbeizuführen.

„Nicht hinausekeln lassen“

Jetzt also eine „Expertenregierung“. „Lassen Sie sich nicht von neidischen Dummköpfen, die selbst nie etwas getan haben, hinausekeln“, gab Zeman den Ministern bei der Zeremonie auf dem Hradschin mit auf den Weg.

Rusnok, selbst ein enger Vertrauter des Präsidenten, hat durchwegs Anhänger Zemans für die Ministerämter nominiert. Einige darunter haben eine kommunistische Vergangenheit. Vizepremier und Finanzminister wird mit Jan Fischer einer, der selbst schon eine „unpolitische“ Beamtenregierung in Prag geleitet hat und im Kampf um das Präsidentenamt scheiterte. Mehrere Minister sind indirekt mit Zemans unbedeutender „Partei der Bürgerrechte“ verbandelt, einige kommen aus den Reihen der Sozialdemokraten, was deren Führung dort nicht passt. Sie lehnt nämlich die neue Regierung ab und hätte eine Selbstauflösung des Parlaments bevorzugt, um vorgezogene Wahlen zu bekommen.

Zeman, dessen eigene Partei in direkter Konkurrenz zu den Sozialdemokraten steht, freut sich verständlicherweise über die Querelen der Sozialdemokraten. Doch die können sich rächen, indem sie dem Kabinett Rusnok gemeinsam mit den bürgerlichen Parteien das Vertrauen verweigern. Die Bürgerlichen stehen der neuen Regierung völlig ablehnend gegenüber. Der bisherige Finanzminister Miroslav Kalousek nennt sie abschätzig eine, die „aus Kumpeln Zemans“ bestehe, nicht aber aus Experten.

Immunität von Nečas wackelt

Sollte Rusnok, wie es sich abzeichnet, die Vertrauensfrage verlieren, müsste Zeman einen zweiten Anlauf zur Regierungsbildung initiieren. Wann er das tut, bleibt ihm jedoch überlassen. Theoretisch könnte Rusnok auch ohne Vertrauensbeweis bis zu regulären Wahlen im Mai kommenden Jahres regieren. Das alles liegt allein in der Hand des Präsidenten, der in den ersten Monaten seiner Amtszeit mehrfach gehöriges Machtbewusstsein demonstriert hat.

Neben der Regierungsbildung gibt es in Prag aber noch einen richtigen Aufreger: Die Staatsanwaltschaft hat das Parlament ersucht, die Immunität von Ex-Premier Nečas aufzuheben. Sie will offiziell Ermittlungen wegen des Verdachts der Korruption einleiten. Derlei hat es im jungen demokratischen Tschechien noch nicht gegeben.

Nečas, so der Verdacht, habe dafür gesorgt, dass mehrere Abgeordnete für die Aufgabe ihres Mandats mit lukrativen Posten in staatlichen Unternehmen abgefunden wurden. Nečas hält die Ermittlungen für einen schlechten Scherz: Sein Vorgehen sei Teil des normalen politischen Geschäfts in vielen Ländern der Welt und keineswegs eine Straftat. Die Zeitungen stehen hinter Nečas. Ob sich dieser Meinung irgendwann auch ein tschechisches Gericht anschließen wird, steht auf einem anderen Blatt.

Auf einen Blick

Tschechiens Präsident Miloš Zeman ernannte am Mittwoch eine „Expertenregierung“ unter der Führung seines Vertrauten Jiři Rusnok. Derzeit hat sie aber keine Mehrheit im Parlament und würde bei einer Vertrauensabstimmung durchfallen. Die Ernennung einer neuen Regierung war notwendig geworden, weil die vorige im Zuge eines Abhör- und Korruptionsskandals zurücktrat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2013)

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