Lenzing umgarnt von Oberösterreich aus die ganze Welt

Globalisierung. Der weltgrößte Zellulosefaser-Produzent profitiert von den starken Preisschwankungen bei Baumwolle. Mit den „grünen“ Spezialfasern Tencel und Modal verschafft sich der Konzern zudem einen Wettbewerbsvorteil.

Lenzing/Wien. Die Maschinen laufen auf vollen Touren. Nicht nur im Stammwerk im oberösterreichischen Lenzing, sondern auch im Ausland, vor allem in Indonesien, wo der Konzern die größte Faserfabrik Südostasiens betreibt. So schnell konnte Lenzing-Chef Peter Untersperger die Kapazität mittels neuer Produktionslinien gar nicht erweitern, als dass er nicht schon „ausverkauft“ war.

Derzeit drücken die äußerst volatile Preisentwicklung bei Baumwolle – der Preis für ein Pfund sackte von 215 US-Cent im Jahr 2011 auf nunmehr 85 Cent – und in China gehortete Überkapazitäten sowie die schwächelnde Weltwirtschaft die Nachfrage nach Zellulosefasern. Entsprechend sank zuletzt der Ertrag bei Lenzing. Langfristig hält der gerade 75 Jahre alt gewordene Konzern aber an der Wachstumsstrategie fest.

Derzeit beherrschen synthetische Fasern (etwa aus Polyester) mit einem Anteil von knapp 61 Prozent und Baumwolle (31,7 Prozent) den weltweiten Fasermarkt, der im Vorjahr ein Volumen von 82 Millionen Tonnen erreichte. Die von Lenzing und ein paar kleineren Konkurrenten erzeugten Man-made-Zellulosefasern, wie sie im Fachjargon genannt werden, kommen auf 6,1 Prozent.

Wohlstand erhöht die Nachfrage

Der Preis der Konkurrenzfasern spielt im internationalen Geschäft eine nicht unerhebliche Rolle – bei Kunstfasern ist es der Ölpreis, bei Baumwolle vor allem die chinesische Politik. Auch wenn diese billiger werden: Langfristig sprechen einige Faktoren für Lenzing, weil der Markt eine strukturelle Änderung durchläuft:
•Der Bevölkerungszuwachs und steigende Wohlstand sorgen vor allem in Asien, und da wiederum in China und Indien für eine hohe Nachfrage nach Textilien und Textilprodukten sowie auch Vliesmaterialien für Hygiene, Kosmetik, Medizin und Haushalt.
•Da die Schwellenländer mehr Nahrungsmittel, Tierfutter und Biokraftstoffe benötigen, werden dort die Anbauflächen für Baumwolle zurückgedrängt.
•Dazu kommt der Umweltaspekt: Da für Baumwolle 20-mal so viel Wasser und dreieinhalbmal so viel Anbaufläche benötigt wird wie für Zellulosefasern, punkten Letztere mit dem Nachhaltigkeitsargument. Viskosefasern werden aus Zellstoff – und damit aus Holz – gemacht und sind daher ein „Naturprodukt“.

„Wir erwarten, dass diese globalen Megatrends die Nachfrage nach unseren Produkten steigern und es sogar zu einer Angebotsknappheit kommen könnte“, heißt es bei Lenzing, wo man sich als Globalisierungsgewinner sieht. Während der globale Fasermarkt bis 2020 jährlich um 2,9 Prozent wachsen soll, wird für Zellulosefasern ein Plus von 9,1 Prozent pro Jahr prognostiziert. Der Nachfrageüberhang wird im Jahr 2020 auf 5,3 Millionen Tonnen geschätzt.

Große Investitionen in eine neue Technologie, die anfangs große Probleme verursachte, erwiesen sich vor diesem Hintergrund als richtungsweisend. Damit ist vor allem die Hightech-Faser Lyocell gemeint, die zuerst nur im burgenländischen Heiligenkreuz, jetzt auch in Werken in Großbritannien und den USA erzeugt wird. Diese „grüne“ Faser wird unter der Marke Tencel weltweit vermarktet. Dazu kommt noch Modal, eine ebenfalls aus Zellstoff erzeugte Spezialfaser. Lenzing kann somit für sich in Anspruch nehmen, der weltweit größte Anbieter zellulosischer Fasern überhaupt, also von Viskose-, Modal- und Tencel- bzw. Lyocellfasern zusammengenommen, zu sein.

Neue Fabrik in Lenzing

Die Strategie ist klar: Ein Drittel des Absatzes, der von derzeit 810.000 bis 2014 auf eine Million Tonnen angehoben werden soll, soll künftig auf die Spezialitäten Tencel und Modal entfallen. Deshalb baut Untersperger jetzt am Firmensitz in Oberösterreich eine weitere Tencelanlage. 130 Millionen Euro werden investiert, 110 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Ab 2014 sollen jährlich 67.000 Tonnen der Spezialfaser hergestellt werden. Abgesehen davon geht es der Faserriese aber etwas langsamer an. Das für die nächsten drei Jahre geplante 1,5 Milliarden Euro schwere Investitionsprogramm wird erstreckt. Zuerst will Untersperger eine Erholung der Preise sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2013)

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