Bei der Abtreibung schwer verletzt

Abtreibung schwer verletzt
Abtreibung schwer verletzt(c) APA (Helmut Fohringer)
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In einer Praxis für Billig-Abtreibungen kam es jahrelang zu schweren Komplikationen. Doch obwohl das Problem lange bekannt war, ist bis heute noch nicht allzu viel geschehen.

[Wien/cim] In einer Wiener Arztpraxis dürfte es jahrelang immer wieder zu Abtreibungen mit schweren Komplikationen gekommen sein. 16 Mal mussten Patientinnen in den vergangenen vier Jahren mit dem Krankenwagen ins Spital gebracht werden, sagt Patientenanwältin Sigrid Pilz dem ORF-Radio „Ö1“. Anfang Juni musste eine Frau notoperiert werden. „Die Gebärmutter wurde beim Eingriff durchstoßen, eine Arterie und der Harnleiter wurden verletzt. Die Abtreibung wurde zu Mittag gemacht, am Abend hat die Ärztin die Patientin ins Spital gebracht und gesagt, die Frau hätte eine Panikattacke“, schildert Pilz. Dabei sei die Frau, die sich auf Deutsch nicht verständigen konnte, lebensbedrohlich verletzt gewesen, „der Bauch war voll Blut, sie musste notoperiert werden.“ Das Spital werde Strafanzeige erstatten.

Und das ist nicht der erste Fall, die Praxis ist berüchtigt. Ganz Wien, heißt es in Ärztekreisen, wisse seit Jahren Bescheid. „Morbus R.“ nenne man unter Gynäkologen jene Komplikationen, die nach Abtreibungen in dieser Ordination in Spitälern behandelt werden müssen. „Man kommt sich vor wie im Schlachthaus“, schreibt eine Patientin in einem Onlineforum.

Die Schwangerschaften, so Pilz, würden dort nach wie vor mittels Kürettage, also Auskratzen der Gebärmutter, abgebrochen. Gängig ist heute die schonendere Absaugmethode. Dafür wirbt die Medizinerin mit günstigen Preisen: 300 Euro kostet ein Abbruch bei ihr. Üblich sind in Österreich 500 bis 700 Euro. Einige Spitäler bieten günstige Tarife für Sozialfälle.

Verfahren gegen Ärztin läuft

Bereits seit 2009, sagt Pilz, wisse man in der Patientenanwaltschaft von den Problemen um diese spezielle Praxis. Schon ihr Vorgänger habe sich schriftlich in der Causa an die Ärztekammer gewandt, sagt die Patientenanwältin und kritisiert, dass lange nichts geschehen sei. Erst im September 2012 habe sie im persönlichen Gespräch, unter anderem mit Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres, diese Medizinerin angesprochen und seither immer wieder urgiert, dass die Kammer gegen sie vorgehe. Szekeres weist die Kritik zurück: Als die schriftliche Meldung von Pilz zum jüngsten Fall angekommen sei, habe er sofort den Disziplinaranwalt der Kammer eingeschaltet, ein Verfahren gegen die Medizinerin läuft. Allerdings, so Szekeres, gehe es dabei um den Vorwurf, die Ärztin habe, ohne als Anästhesistin ausgebildet zu sein, Narkosen durchgeführt. Die Abtreibungen hätten andere Gynäkologen in ihrer Praxis vorgenommen.

Ob man gegen diese vorgehen werde, solle sich im Zuge des Verfahrens klären, in dem es auch um einen Entzug der Zulassung geht. Einer dieser Gynäkologen soll seine Berufsberechtigung zurückgelegt haben. Die Staatsanwaltschaft hat noch kein Verfahren eingeleitet, eine Anzeige sei nicht eingelangt, heißt es dort. Nur wenn so ein Verfahren läuft, könne die MA 40 ein temporäres Berufsverbot aussprechen.

Praxis immer wieder gesperrt


Der Kammer, so räumt Szekeres ein, sei diese Praxis seit Jahren bekannt. Seit 2008 habe es dort neun Begehungen gegeben, bei sechs davon war die MA 40 dabei, diese hätte die Praxis immer wieder vorübergehend schließen lassen. Allerdings nur aufgrund hygienischer Missstände. Auch über den Disziplinaranwalt der Ärztekammer, so Szekeres, sei eine „Reihe von Verfahren“ geführt worden. Dem Patientenanwalt der Wiener Ärztekammer, Franz Bittner, liegen derzeit zwei Beschwerdefälle vor. Hier liefe die Begutachtung.

In Ärztekreisen war diese Praxis, und auch wie man dagegen vorgehen könne, immer wieder Thema. Gescheitert sei das schließlich an Primarärzten, die Meldungen nicht weiterleiten, heißt es, an einem „Abputzen“ der Ärztekammer. Aber auch am Unwillen der betroffenen Frauen. Von Abtreibung und folgenden Komplikationen ohnehin schwer belastet, wollten sie nicht gegen die Ärztin vorgehen.

„System“ versage bei Abtreibung


Christian Fiala vom Ambulatorium Gynmed sagt, das System versage einfach in dem Fall. Wie beim Thema Abtreibung gesamt. „Sagt die Ärztekammer, als einzige Stelle, die Zulassungen entziehen kann, sie könne nichts tun, ist das ein Eingeständnis des Unvermögens, eigene Standards durchzusetzen,“ so Fiala. Auch, dass Frauen aus Kostengründen in dubiose Praxen gehen, ist für ihn ein Systemversagen. Und, in der Prävention, bei Aufklärung und Verhütung, versage dieses ebenso. „Wir haben eine höhere Abbruchrate als die Schweiz oder Deutschland.“

Auf einen Blick

Eine Wiener Ärztin soll in ihrer Praxis jahrelang immer wieder Abtreibungen durchführen haben lassen, die zu schweren Komplikationen geführt haben. Zuletzt musste eine Frau mit lebensgefährlichen Verletzungen notoperiert werden. In Ärztekreisen, in der Ärztekammer und in der Patientenanwaltschaft war diese Praxis seit Jahren immer wieder Thema. Passiert ist wenig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2013)

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