Hitzefrei, Poohbag, Verbot: Die alljährliche Fiakerdebatte

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Tierschutz. Sollen die Pferde bei mehr als 30 Grad hitzefrei bekommen? Wieder stehen die Fiaker im Mittelpunkt einer sommerlichen Diskussion.

Wien/Apa/Mpm. Sie sind Liebkind der Touristen mit Hang zur Kaiserzeit-Romantik. Kinder lieben sie. Und die Wiener selbst? Die halten es wie mit vielen anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt: Man weiß, dass es sie gibt, aber man hat mit ihnen meistens nichts zu tun.

Die Fiaker prägen das Bild der Innenstadt schon seit dem späten 17.Jahrhundert, mittlerweile freilich nur noch als Touristenattraktion. Alle paar Monate, besonders im Sommer(-loch?), werden die Fiaker aber auch zum Politikum.

Am Freitag forderte etwa Rüdiger Maresch, Umweltsprecher der Grünen, ein Fiakerverbot an heißen Tagen. Hat es 30 Grad oder mehr, sollen die Pferde „hitzefrei“ bekommen, alles andere sei „Tierquälerei“. Das Veterinäramt widersprach – Pferde seien Steppentiere und würden die Hitze besser aushalten als der Kutscher am Bock. Auch die Fiakerunternehmer haben mit hitzebedingten Zwangspausen wenig Freude. Als Reaktion planen sie für den 20. Juli einen „Streik light“. An diesem Tag wolle man keine Rundfahrten anbieten, sondern die Leute informieren.

Zu berichten gibt es nämlich genug. Einsatzzeiten der Tiere, Stehplatz-Vergabe – all das ist im Wiener Fiakergesetz nicht ganz unkompliziert geregelt. Die Stadt hat sogar ein eigenes Referat für Fiakerangelegenheiten in der MA 65 (Verkehrsangelegenheiten).

Strengere Gesetze seit 2012

Erst 2012 hat die rot-grüne Regierung – nach jahrelanger Kritik an den Bedingungen für die Pferde – eine Novelle beschlossen, die die Situation für die Tiere erträglicher machen soll. Die Platzkarten für die 58 Standplätze (u.a. am Helden- und Stephansplatz und bei der Albertina) werden so aufgeteilt, dass jede Kutsche nur noch an jedem zweiten Tag im Einsatz sein darf. Die Pferden müssen seither an zwei Tagen pro Woche pausieren. Die Kutscher – deren Kleidung wiederum im besten Bürokratendeutsch in der „Betriebsordnung für Fiaker- und Pferdemietwagenunternehmen“ geregelt ist (Jeans- und Sportschuhverbot), müssen all das genau protokollieren.

Und mehrmals im Jahr rücken, gerne begleitet von Boulevardmedien, die Kontrollore aus: Amtstierarzt und Polizei (Alkotests bei den Kutschern!) vermelden dabei zwar den einen oder anderen Verstoß. Im Großen und Ganzen, das betont man gerne, seien die Bedingungen für die Pferde aber gut. Zum Kontrolltrupp gehört auch ein Mitarbeiter der Abfallwirtschaft (MA48), der den Zustand der „Poohbags“ überprüft.

Ein gutes Stichwort. Längst müssen die Wiener Fiaker verpflichtend eine „Pferdewindel“ (einen Beutel zwischen Pferdehinterteil und Bock) mitführen. Die „Poohbags“ lösten bei der Einführung 2004 heftige Diskussionen aus. Mittlerweile hat man sich an den Anblick gewöhnt. Wohl auch, weil so das Problem der über die Innenstadt unschön verteilten Pferdeäpfel gelöst wurde.

Durch die strikteren Regeln – die Tierschützern freilich nicht weit genug gehen, alle paar Jahre wird die Forderung nach einem generellen Verbot laut –, sahen sich viele Fiakerunternehmen in ihrer Existenz bedroht. Nach wie vor gibt es aber etwa 40 Fiakerunternehmen mit etwa 180 Kutschen. Im 19.Jahrhundert waren gar an die 1000 Fiaker – der Name geht auf den irischen Mönch und Schutzheiligen der Kutscher zurück – in der Stadt als Fortbewegungsmittel im Einsatz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Fiaker: Grüne wollen Verbot bei Hitze
Wien

Fiaker: Grüne wollen Verbot bei Hitze

Umweltsprecher Rüdiger Maresch will die "Tierquälerei" gesetzlich unterbinden. Die Fiaker wollen deswegen streiken.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.