Handel. Mit der Schließung von 355 Filialen gewinnt Dayli einige Wochen Zeit. Wenn bis Ende Juli immer noch kein Investor gefunden ist, drohen weitere Schließungen und der Konkurs.
Wien/Pucking. Die Mitarbeiter erfahren wieder einmal als Letzte, was in ihrem Unternehmen vorgeht. „Ich habe aus dem Internet und dem Radio erfahren, dass es Kündigungen geben wird“, sagt Dayli-Betriebsratsvorsitzende Gertrud Pronegg fassungslos. Jetzt würden ständig Mitarbeiter bei ihr anrufen und sie fragen, ob sie ihren Job noch haben. Und sie könne keine Auskunft geben.
Auch im von der Gewerkschaft eingerichteten Mitarbeiterforum verbreitet sich die Kunde von den Teilschließungen nur langsam. Fatalismus herrscht vor: „Was esse ich morgen?“, fragt eine Userin und beantwortet die Frage gleich selbst: „Wahrscheinlich nichts, weil Ebbe im Kühlschrank ist und ebenfalls auf dem Konto. Ich will einfach nur mehr raus aus allem.“
Masseverwalter Rudolf Mitterlehner hat am Freitag die Notbremse gezogen und entschieden, dass eine Weiterführung der Drogeriekette nur in empfindlich abgeschlankter Version möglich ist. 355 der Ende Juni noch 877 österreichischen Filialen und das Lager in Gröbming werden geschlossen, 1261 Beschäftigte verlieren ihren Job. Welche Filialen geschlossen werden, wurde am Freitag noch nicht bekannt gegeben.
Konkurs ist nicht vom Tisch
Mitterlehner bezeichnet diese vorläufige Lösung als Kompromiss. „Mit den Filialen, die bei der Insolvenzeröffnung bestanden haben, wäre eine Weiterführung nicht möglich gewesen. Mit den verbleibenden Filialen kann bis Ende Juli noch genug Umsatz gemacht werden, dass kein Abgang für die Gläubiger entsteht“. Ende Juli wird also die Frage noch einmal gestellt: schließen oder weitermachen? Sollte sich bis dahin kein Investor gefunden haben, droht das endgültige Aus, also der Konkurs.
Mit den Teilschließungen hat Dayli zumindest noch einige Wochen Zeit für die Suche nach einem Investor gewonnen. Laut Mitterlehner haben sich in den vergangenen Tagen einige Interessenten gemeldet. Nüchtern sieht die Sache Gläubigerschützer Otto Zotter vom Kreditschutzverband von 1870 (KSV): „Das ist jetzt der Schlussverkauf bei Dayli. Damit werden im Juli alle Warenlager geleert. Im August geht es dann entweder mit frischem Geld weiter, oder es wird schrittweise alles zugesperrt.“ Die Chancen für eine Weiterführung des Unternehmens in abgespeckter Version schätzt er auf 50:50. Ähnlich sieht das Gerhard Weinhofer von der Creditreform. „Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, so hätte es nicht weitergehen können.“
Die Schließung der 355 Filialen spült kein neues Geld in die leeren Kassen von Dayli. Die Standorte gehören nicht der Firma, sie sind gemietet. Das einzige Immobilieneigentum dürfte das Lager in der Nähe von Udine sein, in dem sich kaum noch Waren befinden sollen.
Für die gekündigten Mitarbeiter – überwiegend Frauen in Teilzeit – wurden in den einzelnen Bundesländern Arbeitsstiftungen eingerichtet. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bekräftigte am Freitag, dass die arbeitslosen Mitarbeiter eine bis zu vierjährige Ausbildung absolvieren können. In dieser Zeit würden die Teilnehmerinnen neben dem Arbeitslosengeld ein Stiftungsstipendium erhalten. Hundstorfer wies auch auf die Zusage der Banken hin, den Dayli-Mitarbeitern, die alle noch auf ihr Juni-Gehalt und Urlaubsgeld warten, eine zinsenlose Kontoüberziehung zu gewähren.
Gläubigerschützer Zotter ortet zwei grobe Versäumnisse der Dayli-Geschäftsführung: „Schlecker hätte vor einem Jahr sorgfältig saniert gehört, in einem Insolvenzverfahren mit neuer Struktur, sanierter Bilanz und solidem Eigenkapital. So sind alle Altlasten übernommen worden.“ Zudem habe man mit dem Insolvenzantrag viel zu lang gezögert. „Jetzt gibt es zu wenig Manövriermasse, deshalb bleibt kaum Zeit für die Suche nach einem Investor.“
Die Investorensuche ist im Rahmen eines Insolvenzverfahrens wesentlich aussichtsreicher, da der Investor den Gläubigern nur die vereinbarte Quote (vorgeschlagen wurden 25 Prozent) zahlen muss. Weinhofer hat schon angeregt, die Dayli-Insolvenz von einem Sachverständigen prüfen zu lassen, und zwar auf mögliche Konkursverschleppung bzw. Gläubigerbenachteiligung.
60 Mio. Euro Schulden
Die Kreditschützer schätzen die Verbindlichkeiten von Dayli auf 60 Mio. Euro. Den akuten Finanzierungsbedarf zur Umsetzung des Sanierungskonzeptes bezifferte Dayli-Eigentümer Martin Zieger am Freitag mit 40 Mio. Euro.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2013)