Neos-Chef Strolz: "Die Grünen finden Wirtschaft böse"

NeosChef Strolz Gruenen finden
NeosChef Strolz Gruenen finden(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Interview. Warum er seine Partei für die bessere ÖVP hält, aber nicht für Homo-Ehe und Flat Tax ist: Neos-Chef Strolz über Liberalismus, Berater Busek und einen Kanzler Spindelegger.

Die Presse: Laut den Umfrageinstituten und der veröffentlichten Meinung werden es die Neos wohl eher nicht in den Nationalrat schaffen.

Matthias Strolz: Das sehen wir anders. Wir wachsen etwa auf den digitalen Kanälen so schnell wie noch nie eine Partei in Österreich gewachsen ist. Wir haben ein Like-Wachstum von 1000 in fünf Tagen, SPÖ und ÖVP haben wir längst überholt. Unsere Bekanntheit steigt rasant. Ich merke das auch bei Verteilaktionen.

Die Neos positionieren sich als liberal. Was verstehen Sie darunter?

Wir sind Freunde der Eigenverantwortung. Das Leben selbst in die Hand zu nehmen, das ist eine kleine Revolution in Österreich. Wir brauchen keinen Versorgungsstaat von der Wiege bis zur Bahre. Wir brauchen einen athletischen Staat für die Unbill des Lebens. Aber er soll uns nicht mehr als die Hälfte des Geldes, das wir verdienen, wegnehmen. Wir wollen die Abgabenquote auf unter 40 Prozent senken. Auch damit ist ein starkes Gemeinwesen organisierbar.

Auf Platz zwei in Wien kandidiert Niko Alm, Initiator des Kirchenvolksbegehrens. Da Sie in erster Linie von der ÖVP Stimmen holen wollen und Wirtschaftsliberale nicht selten auch wertkonservativ sind, könnte das zu einem ähnlichen Imageproblem für Sie werden, wie es das LIF seinerzeit hatte.

Niko Alm ist bei Neos, weil er unsere Werte – Eigenverantwortung – teilt und weil er ein unternehmerischer Typ ist, ein erfolgreicher mit sechs von ihm gegründeten Unternehmen noch dazu. Er wird sich stark machen für die Ein-Personen-Unternehmen. Die sind eigentlich vom Lifestyle her sehr stark bei den Grünen zu Hause. Nur die Grünen haben kein Verständnis für Wirtschaft, die finden Wirtschaft böse. Da ist Niko Alm ein glaubwürdiger Kommunikator.

Sie sind eine Allianz mit dem LIF und den JuLis eingegangen. Diese Parteien sind beispielsweise für die Homo-Ehe mit Adoptionsrecht. Wie ist da Ihre Position?

Es gilt der Leitsatz: Dort, wo Menschen in Liebe Verantwortung füreinander übernehmen, soll der Staat nicht hineinregieren.

Aber Homo-Ehe soll es nicht heißen.

Wir haben da lang diskutiert. Und es gibt auch sehr wertkonservative Kirchgänger bei uns. Die haben gesagt: Uns ist es ein Anliegen, dass wir das nicht Ehe nennen. In der Sache sind wir uns alle einig: gleiche Rechte für Homosexuelle.

Sind Sie für eine Flat Tax wie die JuLis?

Nein, das sehen wir nicht so. Es gibt bei uns eine Zweidrittelmehrheit für ein progressives Steuersystem, das tragen auch die JuLis mit. Ich halte es für richtig zu sagen, wer mehr hat, zahlt auch einen höheren Steuertarif. Aber irgendwo muss auch Ende sein.

Und eine Pflichtversicherung statt einer Versicherungspflicht wie das LIF?

Wir haben nicht immer für alles eine Patentlösung. Ich bin für beides offen. Wir wollen jedenfalls die Versicherungsanstalten zusammenlegen.

Sie werden von Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek beraten. Wie darf man sich das genau vorstellen?

Wir sind immer wieder im Austausch miteinander. Er wird sein ÖVP-Hemd auf die alten Tage nicht mehr ausziehen, aber er findet es gut, was wir da machen. Er ist nur skeptisch, ob es funktionieren kann.

Sollten Sie es doch ins Parlament schaffen: Würden Sie lieber Werner Faymann oder Michael Spindelegger zum Kanzler machen?

Da bin ich natürlich näher bei Spindelegger. Aber mit der ÖVP geht halt eine Schulreform nicht. Wir sind für eine mittlere Reife und geben den Schulen frei, wie sie dieses Ziel erreichen.

Warum tun Sie sich das an? Weil Sie in der ÖVP keine Chance hatten?

Ich konnte dort keinen sinnvollen Beitrag leisten. Dort gibt es zu wenig Menschen mit echten Anliegen. Wer eine erneuerte, kraftvolle ÖVP will, muss Neos wählen.

Ein wenig skurril war das Auswahlverfahren der Neos-Kandidaten: Die Reihung, die die Bürger gegen Bezahlung via Internet vornehmen konnten, wurde dann vom Parteivorstand und der Mitgliederversammlung großteils wieder umgestoßen.

So wie wir Idealismus mit Pragmatismus kombinieren, so kombinieren wir breite Einbindung mit Leadership. Wir sind ja keine grüne, postkommunistische Kommune, die ganz auf Basisdemokratie macht.

Zur Person

Matthias Strolz, am 10. 6. 1973 in Bludenz geboren, verheiratet, drei Kinder. Abgeschlossenes Wirtschafts- und Politologiestudium. Parlamentarischer Mitarbeiter der ÖVP, dann selbstständiger Unternehmer (Promitto GmbH). Seit 2012 Neos-Chef.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2013)

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