Leichtathletik: „Flo-Jo“: Ein Jahrestag als Mahnmal

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bdquoFloJoldquo Jahrestag Mahnmal(c) EPA (Files)
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Am 16. Juli 1988 sorgte Florence Griffith-Joyner mit dem Fabelweltrekord über 100 Meter für Furore. Die 10,49 Sekunden bleiben unerreicht, nur die Dopingdebatte läuft weiter.

Wien. Sie trug sechzehn Zentimeter lange Fingernägel, sie posierte für Fotos mit Schlangen, die sich um ihren Hals räkelten. Auch mit ihrem schrillen Mode-Faible zog Florence Griffith-Joyner Ende der 1980er-Jahre die Blicke auf sich. Aber noch viel größeres Aufsehen erregte die Diva auf der Laufbahn.

Die Amerikanerin war in den Sprints unschlagbar. Just zum 25. Jahrestag ihres Fabelweltrekordes über 100 Meter in 10,49 Sekunden, den sie am 16. Juli 1988 in Indianapolis aufgestellt hat, wird die Leichtathletik vom Dopingskandal rund um die Sprinter Tyson Gay und Asafa Powell aufgerüttelt. Und es passt ins Bild: Griffith-Joyner, die am 21. September 1998 verstorben ist, ist nie positiv getestet worden. Doch bei ihr war aufgrund der deutlichen Überlegenheit eine gewisse Skepsis immer dabei.

Bei der Obduktion wurden aber keine Folgeschäden durch die Einnahme von Steroiden oder Anabolika festgestellt, um ihren Tod und die unerreichten Weltrekorde rangen sich trotzdem Mythen. Die schnellste Frau der Welt soll (nur) an den Folgen eines epileptischen Anfalls gestorben sein. „Flo-Jo“, die bei den Sommerspielen in Seoul 1988 dreimal Gold gewann, wurde nur 38 Jahre alt.

Der späte Zweifel an den Zeiten

10,49 Sekunden – diese Bestmarke hält unangefochten. Selbst Marion Jones, die wegen Dopings im Zusammenhang mit der Balco-Affäre 2008 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden ist, konnte diese Zeit nie erreichen. Sie schaffte 1998 nur 10,65 Sekunden. Carmelita Jeter war 2009 in 10,64 Sekunden nur unwesentlich schneller. Der älteste Weltrekord der Leichtathletik scheint überhaupt außer Reichweite: Jarmila Kratochvilova (CSSR) lief am 26. Juli 1983 die 800 Meter in 1:53,28 Minuten.

Der Versuch, Zeiten von einst mit denen der Gegenwart zu vergleichen, ist zwar naheliegend, birgt aber verfälschende Faktoren: Kraft, Talent, Trainingslehre, Material, Wind, Regen – oder, auch dieser Punkt muss bedacht werden –, die Evolution der Pharmaindustrie. Aspekte, mit denen sich der Jamaikaner Usain Bolt rechtfertigen kann, sogar muss. Seine Bestzeit von 9,58 Sekunden (Berlin, 2009) wird jetzt, vier Jahre später, infrage gestellt. Sämtliche 100-Meter-Olympiasieger seit 1984 wurden, bis auf den Kanadier Donovan Bailey, früher oder später mit Doping in Verbindung gebracht.

Bolt wurde nie positiv getestet und gilt als Ausnahmekönner – so wie einst Griffith-Joyner. Das Glamour-Girl wurde nur von Trainingspartnerin Lorna Boothe belastet. Sie berief sich auf Informationen einer Krankenschwester, die Griffith-Joyner bei der Einnahme von Testosteron und Steroiden beobachtet haben wollte. Der Star trat 1989, nur ein Jahr nach ihrem Triumph, der von hoch dotierten Werbeverträgen geprägt war, zurück. Das gab Anlass zu wildesten Spekulationen – bis heute.

Lieber Peinlichkeiten als Verfall

Gerätselt wird nun über Gay und Powell, die bei der WM im August in Moskau aus Bolts Schatten laufen wollten. Geht es nach Powells Manager, ist Fitnesstrainer Christopher Xuereb für den positiven Test verantwortlich. Er soll dem Ex-Weltrekordhalter Nahrungsergänzungsmittel und Spritzen verabreicht haben, wird Paul Doyle in der „New York Times“ zitiert. Er äußerte seine Vorwürfe nach einer Polizeirazzia in Lignano. Der Trainer wurde einvernommen, ist aber wieder auf freiem Fuß. Am Dienstag wurde eine weitere Jamaikanerin mit positivem Test publik: Diskuswerferin Allison Randall.

Gehörige Zweifel an der Version des versehentlichen Dopings hat Wilhelm Schänzer, der Leiter des Dopinganalyselabors in Köln. „2009 hatten wir doch das gleiche Problem. Vor der WM in Berlin wurden fünf Jamaikaner positiv auf Methylhexanamin getestet.“ Es ist ein Stimulanzmittel, die Sportler wurden aber nur mit geringen Strafen belegt. Gesperrt wurde 2009 auch ein gewisser Yohan Blake – er wurde 2011 in Südkorea 100-Meter-Weltmeister.

Der Weltverband IAAF will im Kampf gegen Doping seine Position behaupten. Vizepräsident Sebastian Coe, Chef der Sommerspiele in London, sagt: „Wir können es uns nicht erlauben, diesen Krieg zu verlieren. Lieber nehmen wir Peinlichkeiten wie bei diesen Geschichten in Kauf als den Verfall des Sports zu einem Punkt, an dem niemand mehr den Athleten vertraut.“

Auf der aktuellen Liste des Weltverbandes stehen 265 Namen von Athleten, die wegen Dopings suspendiert oder gesperrt sind.

Auf einen Blick

Florence Griffith-Joyner stellte am 16. Juli 1988 in Indianapolis den Weltrekord über 100 Meter auf. Die Fabelzeit von 10,49 Sekunden ist bis dato unerreicht, ebenso ihre Bestzeit über 200 Meter (21,34).
Die dreifache Olympiasiegerin von Seoul 1988 wurde nie positiv getestet, aber stets mit Doping in Verbindung gebracht. Sie verstarb am 21. September 1998 (mit 38).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2013)

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