Aiginger: „Griechenland hat ein Problem, nicht Merkel“

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Aiginger(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die griechische Regierung muss das Unternehmertum fördern, um die Wirtschaft anzukurbeln, sagt Wifo-Chef Karl Aiginger. Griechisches Geld auf Auslandskonten soll mit einer Amnestie zurück ins Land geholt werden.

Die Presse: Sie waren kürzlich auf Arbeitsbesuch in Athen. Was ist Ihr Eindruck, kommt Griechenland voran?

Karl Aiginger: Es ist um einiges besser geworden. Etwa die Wettbewerbsfähigkeit, das Leistungsbilanzdefizit ist nahe null, es waren einst 19 Prozent. Das Budgetdefizit ist niedriger, es gibt einen Primärüberschuss (Budgetsaldo vor Zinsen, Anm.). Was nichts nützt, wenn die Zinsen so hoch sind, dass das Budgetdefizit bei fünf Prozent bleibt, aber immerhin. Katastrophal ist die Arbeitslosigkeit: 27 Prozent allgemeine und 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Und keine Hoffnung für jemanden, der arbeitslos ist, einen Job zu bekommen.

Was auch daran liegt, dass der Arbeitsmarkt unflexibel ist.

Ja, aber da ist viel geschehen. Firmen können mit jedem Beschäftigten einen niedrigeren Lohn vereinbaren. Und sie machen davon Gebrauch. Jugendliche haben mir erzählt, dass ihr Arbeitgeber gesagt hat, er sei sehr zufrieden mit ihnen, möchte ihnen aber 15 Prozent weniger bezahlen. Die Flexibilität der Löhne im privaten Sektor nach unten ist mittlerweile gegeben.

Das klingt wie das andere Extrem.

Die Verträge müssen fair sein. Wenn man den Jungen sagt, sie müssen für 350 Euro arbeiten, dann sollen sie die Garantie haben, dass sie eine Prämie bekommen, wenn die Lage besser wird. Manchmal ist es notwendig, die Löhne zu senken, aber wenn die Umsätze steigen, soll auch die Bezahlung mitsteigen.

Das Problem ist ja auch, dass die Leute gar nicht mehr angestellt werden.

Das Problem ist, dass die Jugendlichen nichts haben: Keine Arbeit und auch die Arbeitslosenversicherung läuft nach einer Zeit aus. Die Frage ist, wie man für diese Jugendlichen eine Perspektive schafft.

Was wäre Ihr Vorschlag?

Ein Jugendlicher, der ein Unternehmen gründen möchte, soll das jederzeit können. Wenn die Behörde eine Konzession nicht binnen drei Wochen ablehnt, soll das Gewerbe als genehmigt gelten. Derzeit bekommt man erst gar keine Antwort, dann beginnt man mit dem Betrieb, später wird er doch verboten und man hat die ganze Arbeit umsonst gemacht.

Also Ich-AG fördern.

Zum Beispiel. Aber das kann auch weiter reichen. Die europäischen Regionalprogramme sollten so umgestellt werden, dass Beschäftigung entsteht. Nicht Straßen bauen, sondern Beschäftigung schaffen. Das muss das oberste Ziel sein. Wir schlagen auch Industriezonen für Griechenland vor. Zonen, in denen die administrativen Prozesse anders und schneller laufen als bisher. Es sollte „Fast-Track-Procedures“ geben: eine Garantie, dass ein Antrag auf eine Betriebsgründung innerhalb von wenigen Wochen beschlossen wird. Sodass der Investor auch die Administration bekommt, die eine internationale Firma gewöhnt ist. Etwa, dass er schnell eine Antwort bekommt, wenn er fragt, wie viel Steuern zu bezahlen sind. Vor den Olympischen Spielen 2004 wurde das genauso gemacht, weil die Regierung wusste, das muss rechtzeitig fertig sein. Auf einmal hat alles geklappt.

Was würden Sie der griechischen Regierung noch empfehlen?

Botschaft Nummer eins ist: Griechenland hat ein Problem und nicht Angela Merkel. Und Griechenland muss sein Problem lösen. Die Regierung muss sich eine Vision 2030 überlegen, welche Wirtschaftszweige bis dahin wettbewerbsfähig sein sollen, wie die Häfen aussehen sollen, mit wem man handeln will. Wenn sie diese Vision hat, kann sie schauen, welche Gelder sie dafür von Europa braucht. Derzeit werden schlechte Projekte eingereicht und die Mittel nicht ausgeschöpft.

Entwickelt sich Griechenland unter dem Strich in die richtige Richtung?

Ja, aber es geht zu langsam und die Maßnahmen sind unfair verteilt. Es wurde nicht das Geld von den Steuerflüchtlingen eingeholt, sondern die Steuererhöhungen lasten vor allem auf den niedrigen Einkommen. Man muss den Menschen Hoffnung geben. Sie müssen das Gefühl haben, dass sie für die Lasten, die sie tragen müssen, auch einmal etwas bekommen.

Wobei sich die Steuerunehrlichkeit in Griechenland durch alle Gesellschaftsschichten zieht.

Aber manche haben größere Beträge und damit mehr Möglichkeiten. Ins Ausland gehen ist nicht ganz so leicht, wenn man wenig hat. Man könnte aber mit einer Amnestie viel Geld zurückholen. Zum Beispiel, indem man sagt, auf griechisches Geld auf Auslandskonten wird ein Beitrag von 20 Prozent eingehoben, dafür kann das Geld ins Land zurückgebracht werden und es gibt keine Ermittlungen.

Aber das wäre wohl trotzdem ein Klacks angesichts des Schuldenberges.

Die Schulden kann man damit nicht abdecken, aber man hat etwas Geld für Investitionen. Ein wesentlicher Teil des Schuldenberges muss intelligent gestrichen werden, aber dazu gibt es im Moment wegen der bevorstehenden Wahl in Deutschland keine Bereitschaft.

Auf einen Blick

Karl Aiginger leitet seit 2005 das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo), bei dem er seit 1970 als Forscher tätig ist. Aiginger ist Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Stanford University in Kalifornien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2013)

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