Krise: Schäuble lobt Athen für Reformkurs

Krise Schaeuble lobt Athen
Krise Schaeuble lobt Athen(c) REUTERS (JOHN KOLESIDIS)
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Bei einem Besuch in Griechenland verteidigte Deutschlands Finanzminister das Sparprogramm. Einen Schuldenschnitt schloss er aus, 2014 könnte es aber neue Hilfe geben.

Athen/Ag./Red. Die Straßen rund um die Regierungsgebäude waren am Donnerstag abgeriegelt, Demonstrationen in der Nähe des Gastes aus Deutschland verboten. Der erste Besuch von Finanzminister Wolfgang Schäuble in Athen während der aktuellen Schuldenkrise war spannungsgeladen. Daran änderten auch die positiven Worte Schäubles nichts, der das Land für seine „großen Fortschritte bei der Konsolidierung der Wirtschaft“ lobte. „Ich bin sehr beeindruckt von dem, was Griechenland geleistet hat.“ Bei einem Vortrag in der deutsch-griechischen Handelskammer warnte er allerdings auch davor, dass die Krise noch nicht überwunden sei. Schäuble verteidigte den notwendigen Sparkurs und forderte die Regierung auf, die Privatisierung fortzusetzen.

Um die Liquiditätsengpässe für Klein- und Mittelbetriebe aufzulösen, wird Berlin 100 Millionen Euro in einen Wachstumsfonds investieren. Er soll von Europartnern auf insgesamt 500 Millionen aufgestockt werden.

Am Nachmittag traf Schäuble mit Regierungschef Antonis Samaras zusammen. Schäuble schloss am Rande seiner Treffen einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland aus. Ein erneuter Forderungsverzicht sei nicht machbar, und schon die Diskussion darüber sei schädlich, so der Minister. Er widersprach damit der Einschätzung zahlreicher Wirtschaftsexperten und des IWFs, der kürzlich für einen Schuldenverzicht geworben hatte. Der Präsident der ESMT-Hochschule in Berlin, Jörg Rocholl, hatte diese Woche in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt: „Ich halte einen Schuldenschnitt für unabwendbar.“

Eine solche Schuldenreduktion würde diesmal direkte Auswirkungen auf Steuerzahler in den Euroländern haben. Denn sie würde jene Staatsanleihen treffen, die sich im Besitz öffentlicher Gläubiger befinden. Laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft halten die Europartner derzeit griechische Anleihen im Wert von 161 Milliarden Euro, die EZB hält 45 Milliarden, der IWF 22 Milliarden.

Das Athener Parlament hatte nach zweitägigen, schwierigen Beratungen in der Nacht auf Donnerstag ein neues Sparpaket beschlossen. Es enthält ein Gesetz, das die Kündigung von 15.000 Staatsbediensteten ermöglicht. 4000 Stellen sollen noch in diesem Jahr abgebaut werden, 11.000 im nächsten Jahr. Das Sparpaket war eine Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Kredittranche von 6,5 Milliarden Euro. 2,5Milliarden davon sollen noch vor Ende Juli ausbezahlt werden.

Neue Hilfe wird notwendig

Laut EU-Kommission ist die Finanzierung des griechischen Staatshaushalts bis 2014 gesichert. Dann, so warnen Experten, werde aber eine Finanzierungslücke entstehen. Sie kann nur entweder durch zusätzliche Hilfskredite oder einen Schuldenschnitt geschlossen werden. Schäuble hatte in einem Radiointerview kurz vor Beginn seiner Griechenlandreise erklärt, dass 2014 über weitere Hilfen geredet werden könnte.

Griechenland wird in diesem Jahr in seinem Staatshaushalt einen Primärüberschuss erwirtschaften. Die immensen Zinszahlungen treiben die Schulden dennoch weiter in die Höhe. Zudem sorgt die schwere Rezession dafür, dass die Staatsschuldenquote 2013 auf bis zu 175 Prozent des BIPs steigen dürfte. Die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds hatte das Ziel festgelegt, die Staatsschulden bis 2022 auf 110 Prozent des BIPs zu senken.

Griechenlands Opposition und viele der Demonstranten, die auch in den Tagen vor Schäubles Besuch auf die Straßen gingen, werfen den internationalen Geldgebern und besonders Deutschland vor, ihrem Land die Konsolidierungspolitik zu diktieren und damit die Wirtschaft abzuwürgen. Die linksgerichtete Zeitung „Avgi“ grüßte Schäuble auf der Titelseite mit den Schlagzeilen „Heil Schäuble!“ und „Die Todgeweihten grüßen Dich“. Für die Athener Innenstadt war am Donnerstag ein Demonstrationsverbot erlassen worden. U-Bahn-Stationen wurden geschlossen. 3500 Polizisten sicherten den Besuch, 3000 weitere waren in Bereitschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2013)

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