Nawalnys „Neutralisierung“ zeigt, wie Moskau mit politischen Konkurrenten verfährt.
Er sei nicht so einfach zu neutralisieren, sagte Alexej Nawalny einmal während der letzten Wochen vor dem Kirower Gericht, das er wegen der TV-Übertragung süffisant als „Seifenoper“ zwischen Komik und Drama bezeichnet hatte. Er werde sich, so Nawalny, auch angesichts einer Verurteilung weiterhin mit seiner Lebensaufgabe beschäftigen, die da sei: „Den feudalen Aufbau Russlands zu zerstören.“
Nawalnys Kampfgeist in Ehren – sollte er tatsächlich ins Straflager müssen (und danach sieht es aus, auch wenn das gestrige Urteil noch angefochten werden kann), wird ihm sein Kampf gegen die Allgegenwart des Staates und den Machtmissbrauch von Putins Funktionären um vieles schwerer fallen als bisher.
Der russischen Justiz ist auf Geheiß von oben (so der dringende Verdacht) zumindest eine Teilneutralisierung gelungen. Die Protestbewegung wird mit der Einkerkerung des politisch talentierten, zum Verbalradikalismus neigenden 37-Jährigen deutlich geschwächt. Nawalnys Hoffnung auf ein Herausfordern seines Gegners Putin mit den Mitteln der Politik ist vorerst geplatzt.
Mit ihrer Diskreditierung Nawalnys, die über dem Gerichtssaal hing wie eine Dunstglocke, sind die Behörden jedoch gescheitert. In Russland, wo eine Anklage in den überwiegenden Fällen auch eine Verurteilung bedeutet, versteht jeder, dass mit Nawalnys Haftstrafe eigentlich etwas anderes festgelegt wurde: Das Strafmaß für das „Verbrechen“, dem Präsidenten direkt entgegengetreten zu sein.
jutta.sommerbauer@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2013)