Wann ist der Hitlergruß Kunst?

Meeses Getändel mit NS-Ästhetik nervt. Zu befürchten ist, dass er auch in Bayreuth 2016 Ähnliches vorhat.

Nun ist also der „Hitlergruß“-Prozess gegen den Künstler Jonathan Meese vertagt worden: Meese hatte im Juni 2012 in einer öffentlichen Diskussion die „Diktatur der Kunst“ gefordert und den rechten Arm in eindeutiger Weise erhoben. Das Amtsgericht Kassel wirft ihm nun das Verwenden von „Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ vor; was er „auf der Bühne und im Namen der Kunst“ mache, sei „durch die Kunstfreiheit im Grundgesetz gedeckt“, erklärt Meese dagegen. In der U-Bahn täte er das natürlich nicht, sagt er. Das wirft eine interessante Grundsatzfrage auf: Wann wird ein Ort, an dem ein Künstler auftritt, zur Bühne? Was macht eine öffentliche Handlung eines Künstlers zur Performance, bei der dann mehr erlaubt ist als bei einer „gewöhnlichen“ Handlung? Ist ein Künstler am Ende gar immer „im Dienst“?

Man darf gespannt sein, wie der Prozess am 29.Juli weitergeht. Ganz abgesehen davon darf man aber konstatieren, dass Meeses Getändel mit NS-Ästhetik – die er beharrlich mit der angeblichen „Diktatur der Kunst“ zusammenbringt – seit Langem nervt. Schon wegen seiner geistigen Schlichtheit. So hat die slowenische Gruppe Laibach schon Anfang der Achtzigerjahre das Thema „totalitäre Ästhetik“ viel klüger behandelt. Peinlich oberflächlich ist auch Meeses Auseinandersetzung mit Richard Wagner, die etwa in einer Leipziger Ausstellung über den „Mythos Wagner“ gezeigt wurde: Meese stilisiert sich zum tumben Toren, der ach so gern ein Gefolgsmann des radikalen „Erzrichard“ wäre...

Es ist zu befürchten, dass Meeses „Parsifal“-Inszenierung bei den Bayreuther Festspielen 2016 mit ähnlich primitiven Mitteln Klischees replizieren und „entlarven“ wird. Und es ist zu hoffen, dass man sich in Bayreuth spätestens jetzt bewusst wird, dass es keine so gute Idee war, Meese mit dieser Regie zu betrauen. Kunstskandale mögen ihren Reiz haben, vielleicht auch auf dem Grünen Hügel, aber wenn sie so durchschaubar konstruiert sind wie bei Meese, fügen sie einem großen Kunstwerk nicht mehr hinzu als ein grell-blöder Werbespruch einem intelligenten Produkt.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2013)

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