Justiz ordnete Atempause für Nawalny an

 Nawalny
Nawalny(c) REUTERS (SERGEI KARPUKHIN)
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Der am Donnerstag verurteilte russische Oppositionelle, Alexej Nawalny, wurde gestern auf freien Fuß gesetzt.

Moskau/Est. Die russische Justiz macht derzeit nicht nur mit dem Anschein politisch motivierter Rechtsprechung Schlagzeilen, sie sorgt mit ihrem Vorgehen zudem für Verwirrung. Konkret im international heftig kritisierten Fall des populären Oppositionellen Alexej Nawalny. Nachdem der 37-jährige Jurist am Donnerstag wegen angeblicher Veruntreuung öffentlicher Mittel zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt und noch im Gerichtssaal verhaftet worden war, sind er und der mitangeklagte Geschäftsmann Pjotr Ofizerow am Freitag vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt worden – bis das Urteil rechtskräftig sein wird.

Die Wendung ist untypisch, beruht sie doch auf einer beispiellosen Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Dass die Ankläger ihre partielle Kehrtwendung unter dem Eindruck der jüngsten Straßenproteste machten, ist freilich wenig wahrscheinlich.

Plausibler da schon das kolportierte Kalkül, Nawalny, der bei den Moskauer Bürgermeisterwahlen am 8. September kandidiert, im Rennen zu lassen. Der jetzige Bürgermeister Sergej Sobjanin, der erst Ende 2010 aus dem Kreml an die Moskauer Stadtspitze entsandt worden war, hat kürzlich die vorgezogenen Wahlen vom Zaun gebrochen und will eigenen Worten zufolge eine Legitimierung durch eine wirkliche Wahl. Dafür braucht er Nawalny, der ja in der Stadt die meisten Anhänger hat, aber vorerst trotzdem nicht gefährlich werden kann, da ihm die administrativen Ressourcen, wie etwa Präsenz in den TV-Kanälen, verwehrt bleiben.

„Nützen wir die Zeit“

Beobachter wie der Ex-Kremlberater Gleb Pawlowski sahen schon im strengen Gerichtsurteil gegen Nawalny einen versuchten Schlag der Hardliner gegen Sobjanin, jedenfalls aber Differenzen unter den obersten Entscheidungsträgern über den Umgang mit dem Aktivisten. „Nützen wir die Zeit, um den Gaunern einen Schlag zu versetzen“, appellierte Nawalny am Freitag an seine Anhänger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2013)

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