"Jedermann": Vor dem Dom wird wieder gestorben

SALZBURGER FESTSPIELE 2013: FOTOPROBE 'JEDERMANN'
SALZBURGER FESTSPIELE 2013: FOTOPROBE 'JEDERMANN'APA/BARBARA GINDL
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Die "Jedermann"-Saison hat begonnen. Bei den Salzburger Festspielen spricht man in Superlativen, die Festspiel-Präsidentin ist bereits vor der Eröffnung zufrieden.

Die Stadt ist voll. Das spürt man an diesem Wochenende, wenn man sich in Salzburg bei für die Region prächtigem Sommerwetter im Strom der Touristen durch die Getreidegasse treiben lässt. Das weiß man auch, wenn man die offiziellen Statistiken liest. Bereits im Juni gab es in der kleinen Metropole an der Salzach knapp 140.000 Nächtigungen. Und drei Prozent plus seit Jahresbeginn. Wenn die Salzburger Festspiele nächste Woche offiziell losgehen, wenn rund 280 Veranstaltungen mit Oper, Konzert und Theater bis September abgespult werden, ist garantiert, dass sich hier weit mehr Gäste als Einheimische befinden. Salzburg ist dann rund um die Uhr Bühne für die Reichen, die Schicken, die Schaulustigen – und die Künstler.

Am Freitag ging das Vorspiel los, mit vollem Programm. Alexander Pereira, der fast noch neue, fast schon wieder im Streit an die Scala verabschiedete Intendant, hat die Kulturkampfzone 2012 erweitert. Eine Woche vor den Festreden begann auch heuer die „Ouverture spirituelle“, eine Übung geistlicher Art, in die am Samstag auch „Jedermann“ eingebaut wurde. Das Wetter werde halten, wussten die Veranstalter am späten Nachmittag. Die Premiere vor dem Dom schien gesichert.

Damit aber Salzburg nicht als rein elitär verschrien ist, sorgen die Veranstalter für ein zweitägiges „Fest zur Festspieleröffnung“. Überall in der Altstadt begegnet man Kunst, das Gratisprogramm reicht von der Blasmusik, dem traditionellen Fackeltanz, allen Arten von Kleinkunst bis zu hochgeistigen Gesprächen, Lesungen und Autogrammstunden der Stars in der Hofstallgasse. 80 Aufführungen waren bis in die Nacht zum Sonntag zu sehen. Selbst Darsteller vom „Jedermann“ beteiligten sich am Rahmenprogramm.

Nicht nur das Regieteam der Zugnummer (Julian Crouch, Brian Mertes) ist neu, sondern das gesamte Ensemble: Cornelius Obonya gibt den Jedermann, Brigitte Hobmeier die Buhlschaft. Den Tod spielt Peter Lohmeyer, den Teufel Simon Schwarz, die Guten Werke Sarah Viktoria Frick, den Mammon Jürgen Tarrach. Jedermanns Mutter ist Julia Gschnitzer – da ist die Sorge um Auslastung bald marginal.

Die Festspiel-Präsidentin ist bereits vor der Eröffnung zufrieden. Der Kartenverkauf entwickle sich hervorragend, sagt Helga Rabl-Stadler im Interview: „Wir wissen jetzt schon, dass wir den Rekord vom Vorjahr zumindest einstellen werden.“ Besonders gefragt: „Jedermann“. Die meisten Vorstellungen sind mehrfach überbucht. Von den Opern ist wie zu erwarten „Don Carlo“ der große Hit. Auf die voreilige Bewertung der Saison lässt sich Rabl-Stadler aber nicht ein: „Über gut oder schlecht will ich nicht philosophieren. Jetzt schauen wir alle, dass es künstlerisch und kommerziell ein Erfolg wird.“

Sie streut dem künstlerischen Leiter überraschend Rosen: „Ich finde es eine sehr schöne Idee von Alexander Pereira, dass er den ,Jedermann‘ bereits bei der ,Ouverture spirituelle‘ spielen lässt, das Stück passt szenisch gut dazu“, lobt Rabl-Stadler den Intendanten, mit dem es im Vorfeld im Kuratorium beträchtliche Spannungen gab.

Der Konflikt scheint nun gelöst, seit fix ist, dass Pereira im Oktober 2014 endgültig geht, gut zwei Jahre früher als geplant. Dann fängt offiziell sein Dienst als Chef der Mailänder Scala an. Für Salzburg heißt das, man wird bereits im September 2013 die Nachfolge regeln. Noch vor den Nationalratswahlen ist eine Kuratoriumssitzung angesetzt, in der sich Stadt und Land Salzburg sowie Vertreter des Bundes auf die neue Intendanz einigen sollten.

Zwei Favoriten scheinen bereits festzustehen: Sven-Eric Bechtolf, der im Vorjahr als Schauspielchef bei Pereira begann und nun 2015/16 gemeinsam mit Rabl-Stadler die Leitung übernehmen wird. Gute Chancen soll aber auch Markus Hinterhäuser haben, der bis 2016 die Wiener Festwochen leitet. Noch im Herbst, so kündigt Rabl-Stadler an, „werden Bechtolf und ich einen Kassasturz machen. Ich will finanziell ermöglichen, was der Intendant künstlerisch vorschlägt.“ Seit 15 Jahren habe es in der Bilanz immer zwei Millionen Euro plus gegeben, als Reserve fürs übernächste Jahr. „2012 aber haben wir gerade die schwarze Null erreicht. Wichtig ist, dass wir 2013 kein Defizit machen.“ Das zwingt dazu, mehr Einnahmen bei Kartenverkauf wie Sponsoring zu lukrieren. Denn die öffentlichen Zuwendungen sind seit 1998 praktisch eingefroren. „Wir brauchen eine Erhöhung der Subventionen“, fordert die Präsidentin. In Salzburg geht es nicht nur um Kunst, sondern immer auch ums Geld.

Festspiele in Zahlen

Das Budget der Salzburger Festspiele 2013 beläuft sich auf 60 Mio. Euro regulär.

Dazu kommen noch 2,6 Mio. Euro. Die kann Intendant Alexander Pereira extra ausgeben, für das musikalisch-soziale Jugendprojekt „El Sistema“ aus Venezuela.

Einen neuen Rekordgibt es bei der Anzahl der Veranstaltungen: Von der „Schöpfung“ letzten Freitag (Kritik unten) bis zum Ende am 1.September sind es heuer 280.

Insgesamt aufgelegt sind 260.000 Karten, 88 Prozent davon waren am 5.Juli bereits verkauft.

Der beste Tisch beim Galadiner des Festspielballs kostet 12.000 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2013)

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