SuperMarkt: Ab Dienstag sind Sie steuerfrei!

SuperMarkt Dienstag sind steuerfrei
SuperMarkt Dienstag sind steuerfrei(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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In Skandinavien liegen die Steuersätze deutlich über den österreichischen. Arbeitnehmern bleibt aber mehr netto von ihrem Brutto. Interessant, nicht?

Das Mittelalter hatte den Menschen nicht wirklich viel zu bieten. Geboren in armseliger Umgebung, sehr früh gestorben, und in der Zeit dazwischen ausgiebig gehungert und gefroren. Die Winde pfiffen gnadenlos durch die dürftigen Behausungen, warme Kleidung war nicht zu bezahlen, und wer das Privileg hatte, ein wenig Land bewirtschaften zu dürfen, musste seinem „Herrn“ zehn Prozent der Ernte abliefern. Im Gegenzug durfte man seinen Kopf auf den Schultern behalten und auf rudimentären Schutz vor durchziehenden Räuberhorden hoffen.

Und heute? Nie zuvor lebte eine breite Masse auch nur annähernd auf einem so hohen Wohlstandsniveau, nie zuvor musste weniger für Kleidung, Nahrung, Wohnung und Fortbewegungsmittel gearbeitet werden als dieser Tage. Eine durchaus erfreuliche Entwicklung, die einem Wirtschaftssystem zu verdanken ist, das mittlerweile mehr Feinde zählt als Freunde: der Marktwirtschaft.


Verhasste Wohlstandsmaschine. Dieses auf Privateigentum, Wettbewerb und Vertragsfreiheit gründende Ordnungsprinzip garantiert purzelnde Preise, einen erheblich effizienteren Einsatz beschränkter Ressourcen und kürzere Arbeitszeiten. Dass heute nur noch 38,5 Stunden in der Woche gearbeitet werden muss, um einen noch nie da gewesenen Lebensstandard genießen zu können, war nicht das Werk engagierter Gewerkschaftsfunktionäre und freundlicher Politiker. Sondern jenes einer sagenhaft gestiegenen Arbeitsproduktivität, angetrieben durch den Konkurrenzdruck frei gewordener Märkte und der damit einhergehenden Innovationskraft privater Unternehmen. Und das, obwohl Herr Marx meinte, dass eine wachsende Produktivität kapitalistisches Teufelszeug sei. Der zu erwartende Preisverfall führe zu fallenden Löhnen, einer reduzierten Kaufkraft und konsequenterweise zu einer Verelendung der Massen (= Kunden), womit der Erfolg der Kapitalisten auch deren Ende sei.

Heute beglückt die Marktwirtschaft die Massen mit sinkenden Lebenshaltungskosten und den Sozialisten aller politischen Lager liefert sie jenes Geld, das sie so freigiebig verteilen. Während die Bürger für Waren und Dienstleistungen auf den Märkten immer weniger von ihrer Arbeitszeit einsetzen müssen, spannt sie die Obrigkeit immer länger zum Frondienst ein. Zu keiner Zeit der Welt mussten die Menschen so lange für ihren „Lehensherrn“ schuften wie heute – allen voran in Österreich. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer wird bis zum morgigen Montag ausschließlich dafür gearbeitet haben, dass der ausgabenfreudige Staat seine Rechnungen begleichen kann.

Erst ab dem 23. Juli dürfen die vermeintlich freien Bürger das von ihnen erwirtschaftete Geld behalten, um damit Lebensmittel, Wohnung, Strom, Gas, Wasser, Müll, Treibstoff, Auto und alles weitere bezahlen zu können. Vielleicht auch noch einen kleinen Urlaub, wer weiß. Noch teurer sind die Leistungen der öffentlichen Hand übrigens nur in Frankreich und Belgien. In Luxemburg darf hingegen schon ab dem 25. Mai in die eigene Tasche verdient werden, in Dänemark ab dem 6. und in Finnland ab dem 19. Juni, wie ein überaus interessanter EU-Steuervergleich der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young zeigt.

Selbst im Hochsteuerland Schweden endet der Zwangsdienst für den Lehensherrn Staat schon einen Monat früher als in Österreich. Das jedenfalls ergibt die Gegenüberstellung von Markteinkommen abzüglich der Einkommen- und Verbrauchssteuern sowie der Sozialabgaben, also auch der in Österreich gern versteckten „Lohnnebenkosten“, die für heimische Durchschnittsverdiener ja längst zu den Hauptkosten geworden sind.


Früher frei im hohen Norden. Wären die Österreicher etwa Dänen, blieben einem durchschnittlichen Arbeitnehmer jährlich 7500 Euro netto mehr in der Tasche (vor Bezahlung der Umsatzsteuer). In Österreich liegt das Durchschnittseinkommen bei 39.263 Euro brutto, inklusive „Arbeitgeberbeiträge“ ergibt sich ein Markteinkommen von 51.552 Euro. Das ist nahezu gleich hoch wie in Dänemark. Während die Bürger dort von ihren Markteinkommen 62 Prozent behalten dürfen, sind es in Österreich 47 Prozent. In Schweden bleiben 57 Prozent beim Arbeitnehmer, in Finnland sind es 58 Prozent. Das wiederum bedeutet, dass einem finnischen Beschäftigten vom durchschnittlichen Markteinkommen eines österreichischen Arbeitnehmers um 5500 Euro mehr netto im Jahr blieben, einem schwedischen immerhin um 5000 Euro mehr.

Womit sehr schön zu sehen ist, dass Spitzensteuersätze sowie Steuer- und Abgabenquoten im Verhältnis zur jährlichen Wirtschaftsleistung zwar einiges aussagen, aber längst nicht alles. In Skandinavien sind die Spitzensteuersätze höher als in Österreich, ebenso die Umsatzsteuer. Nach Abzug der Konsumstrafsteuer reduziert sich der Abstand zu den erwähnten Vergleichsländern um knapp zehn Prozent, also nicht signifikant. Der große Unterschied liegt in der Belastung der Arbeitnehmer mit den Kosten des Wohlfahrtsstaates, die in Österreich eben weit höher sind als in Skandinavien.


Was ist die Leistung des Staates? Nun könnte man natürlich einwenden, dass den Österreichern dafür auch einiges geboten wird. Ein egalitäres „Gratis“-Bildungswesen, eine komfortable soziale Absicherung im Fall des Jobverlusts, eine hochwertige Krankenversorgung – und zumindest das rhetorische Versprechen auf eine staatliche Rente. Das bieten allerdings auch Länder wie Schweden, Dänemark und Finnland – teilweise in höherer Qualität (Schule), aber zu wesentlich niedrigeren Kosten.

Noch länger als bis zum 23. Juli werden hierzulande übrigens die Besserverdiener für den öffentlichen Frondienst beansprucht. Also jene Teile der Bevölkerung, die sich in regelmäßigen Abständen ausrichten lassen dürfen, ihren solidarischen Pflichten nicht genügend nachzukommen. Dabei hätten gerade sie allen Grund, zumindest einmal im Jahr einen Brief zu erwarten, in dem sich die wichtigsten Repräsentanten des Hochsteuerlandes Österreich artig bei ihnen, den großen Finanziers des Wohlfahrtsstaats, bedanken. Etwa dafür, nicht längst die Flucht vor ihrem unersättlichen Lehensherrn ergriffen zu haben. Sondern sich ungerührt sechs Zehente abknöpfen, um sich dann auch noch als asoziale Geldsäcke beschimpfen zu lassen.

Aber dafür ist das Leben zugegebenermaßen netter als im Mittelalter.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2013)


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