Aufregung um die Zusammenarbeit deutscher Nachrichtendienste mit der NSA: Mit der Software "XKeyscore" werden Suchabfragen von Usern überwacht.
Berlin/Washington/Ag./Red. Gerhard Schindler, Präsident des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), hatte am gestrigen Sonntag alle Mühe, die neuerliche Aufregung um den Datenaustausch zwischen deutschen Geheimdiensten und der amerikanischen National Security Agency (NSA) zu besänftigen. Es gebe keine „millionenfache monatliche Weitergabe von Daten aus Deutschland an die NSA“, sagte er gegenüber der Zeitung „Bild am Sonntag“.
Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte in einer Vorabmeldung berichtet, dass die deutschen Sicherheitsdienste große Datenmengen an die NSA geliefert hätten. Schindler sagte dazu, dass im Jahr 2012 nur zwei einzelne personenbezogene Datensätze deutscher Staatsbürger an die NSA übermittelt worden seien.
Nichtsdestotrotz hat die deutsche Debatte über die Zusammenarbeit der Geheimdienste damit wieder an Fahrt gewonnen. Zumal der „Spiegel“ des Weiteren unter Berufung auf geheime Dokumente der NSA geschrieben hatte, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sowie der Auslandsgeheimdienst BND eine von der NSA zur Verfügung gestellte Spähsoftware anwenden würden – in welchem Ausmaß, das ist allerdings Gegenstand der Auseinandersetzung.
Keine Weiterleitung von Daten?
Mit einer Spähsoftware namens „XKeyscore“ würde ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe. Das Programm könne etwa auf der Basis von Verbindungsdaten sichtbar machen, welche Stichworte Zielpersonen in Internetsuchmaschinen eingegeben haben. Zudem könnten damit zumindest teilweise Kommunikationsinhalte eingesehen werden.
Der Präsident des BfV, Hans-Georg Maaßen, sagte aber, dass das Programm bisher lediglich getestet werde. „Bei seiner Zusammenarbeit mit der NSA hält sich das BfV strikt an seine gesetzlichen Befugnisse“, betonte er. „Ich weise die Spekulation zurück, dass das BfV mit einer von der NSA zur Verfügung gestellten Software in Deutschland Daten erhebt und an die USA weiterleitet oder von dort Daten erhält.“ Er ergänzte, die Kooperation mit US-amerikanischen Nachrichtendiensten trage erheblich zur Verhinderung von Terroranschlägen in Deutschland bei.
Die Zusammenarbeit deutscher Dienste mit der NSA dürfte sich zuletzt jedenfalls intensiviert haben. In den US-Unterlagen sei in diesem Zusammenhang auch von einem „Eifer“ des BND-Präsidenten Schindler die Rede. „Der BND hat daran gearbeitet, die deutsche Regierung so zu beeinflussen, dass sie Datenschutzgesetze auf lange Sicht laxer auslegt, um größere Möglichkeiten für den Austausch von Geheimdienst-Informationen zu schaffen“, hätten NSA-Mitarbeiter im Jänner notiert.
Laut „Spiegel“ war Ende April eine zwölfköpfige hochrangige BND-Delegation zu Gast bei der NSA und traf dort auf diverse Spezialisten für Datenbeschaffung.
Wenige Wochen später deckte der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden das NSA-Spähprogramm Prism auf, mit dem seinen Angaben zufolge weltweit Unmengen von Verbindungsdaten abgeschöpft werden, darunter auch in Deutschland. Die deutsche Regierung hat wiederholt erklärt, über das Programm nicht informiert gewesen zu sein.
Zusammenarbeit in einem „Pool“
Zuletzt hatte der Journalist und Snowden-Kontaktmann Glenn Greenwald weitere Veröffentlichungen angekündigt. Snowden habe ihm und einem „Spiegel“-Journalisten bis zu 10.000 streng geheime Dokumente übergeben. Greenwalds Worten zufolge beteiligt sich die Regierung in Berlin an dem Spionagesystem zwar nicht in dem Maße wie Großbritannien und die USA, aber doch in großem Rahmen.
Aus amerikanischen Geheimdienstkreisen hieß es, dass man mit europäischen Nachrichtendiensten in einer Art „Pool-System“ kooperiere. „Es gibt eine breite Zusammenarbeit zwischen befreundeten Nachrichtendiensten“, erklärte der frühere Chef des US-Geheimdienstes NSA, General Michael Hayden, am Rande des Sicherheitsforums im amerikanischen Aspen in einem Interview mit dem ZDF.
Die Kooperation sei bei einem geheimen Treffen der US-Dienste mit den Chefs der europäischen Nachrichtendienste kurz nach den Anschlägen vom 11. September vereinbart worden. „Wir waren sehr offen zu unseren Freunden“, sagte Hayden. „Wir sagten sehr klar, was wir vorhatten in Bezug auf die Ziele, und wir baten sie um ihre Kooperation.“ Und die sei dann auch zugesagt worden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2013)