Wirtschaftskammer: "Machen Arbeitslose nicht schlecht"

 Workman standing on a scaffolding
Workman standing on a scaffoldingErwin Wodicka - BilderBox.com
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Selbst für 2900 Euro netto hat eine Gerüstbaufirma aus OÖ über das AMS niemanden gefunden - und konnte einen Auftrag nicht annehmen. Die Wirtschaftskammer fordert Konsequenzen.

Aus der guten Auftragslage konnte die Gerüstbaufirma Dietz aus Oberösterreich keine Nutzen ziehen. Im Juni musste die Firma die kurzfristige Suche nach Arbeitskräften für eine Baustelle in Niederösterreich ohne Erfolg beenden - und das, obwohl sie ein respektables Gehalt bot. "Wie bitte? 2900 Euro, netto? Das glaubt doch kein Mensch": So oder ähnlich lauteten viele Kommentare im DiePresse.com-Forum, wo der Artikel über den Fall heftig diskutiert wurde.

Auch Arbeitsrechtsexperte Erhard Prugger von der Wirtschaftskammer Oberösterreich (WKOÖ) war zunächst überrascht von dem hohen Nettolohn, wie er im Gespräch mit DiePresse.com erzählt. Die Kammer habe aber genau recherchiert, bevor sie sich entschied, mit dem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen, betont Prugger.

Dietz habe erklärt, dass die Löhne so hoch seien, weil man im Bereich Gerüstbau sehr schwierig geeignete Arbeitskräfte finde. Daher habe die Firma auch nicht auf dem freien Markt gesucht, sondern beim Arbeitsmarktservice (AMS) angefragt. Wie berichtet, hat der Gerüstbauer daraufhin die Kontaktdaten von neun Niederösterreichern, einem Oberösterreicher und einem Wiener erhalten - keinen der Arbeitslosen konnte die Firma innerhalb einer Woche für sich gewinnen. Den Großauftrag in Niederösterreich musste sie daher ablehnen.

AMS prüft derzeit jeden Einzelfall

Ob den elf Arbeitslosen (einer begründete die Absage offenbar mit dem Statement "Bin auf Urlaub und habe keine Zeit") jetzt das Arbeitslosengeld entzogen wird, ist noch unklar. Derzeit prüft das AMS Niederösterreich jeden Einzelfall.

Auch bei der WKOÖ will man keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Einen körperlich anstrengenden Job in schwindelnder Höhe könne nicht jeder ausüben. Was Arbeitsrechtsexperte Prugger allerdings ärgert: "Fünf Personen haben nicht einmal bei Dietz zurückgerufen. Das wirft ein schlechtes Licht auf die Arbeitsmarktpolitik". Gleichzeitig betont er, dass es sich um eine kleine Gruppe schwarzer Schafe handle. Die Kritik der Arbeiterkammer, die WKOÖ mache aufgrund eines Einzelfalls unseriöse Propaganda gegen Arbeitslose, weist Prugger zurück: "Wir machen Arbeitslose nicht schlecht". Der Arbeiterkammer empfiehlt er, "sich besser um jene kümmern, die ernsthaft nach einem Job suchen".

Strengere Maßnahmen gegen schwarze Schafe

Um strenger gegen schwarze Schafe vorgehen zu können, fordert die Wirtschaftskammer eine Reihe von Maßnahmen. Die bestehenden Strafen (zeitweiser Entzug des Arbeitslosengeldes) sollen konsequent exekutiert werden. Weigern sich Personen wiederholt, einen zumutbaren Job anzunehmen, sollen sie den Anspruch auf Arbeitslosengeld ganz verlieren können, wie es etwa in Deutschland der Fall ist. Zudem sollte sich beim Thema Zumutbarkeit etwas ändern. Prugger fragt sich: "Warum ist einem norddeutschen Arbeitslosen ein Saisonjob in Tirol zumutbar, einem Niederösterreicher ohne Familie aber nicht?"

(sk)

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