"Zu teure" Stromanbieter sollen sich für ihre Preise künftig rechtfertigen, wünscht der Wirtschaftsminister. Ein probates Mittel gegen Wucherer?
Wien. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ist erbost. Österreichs Stromkunden (und seine potenziellen Wähler) zahlen zu viel für Elektrizität. Bis zu zehn Prozent müssten die Endkundenpreise fallen. Denn während der Strompreis an den Börsen zuletzt um 30Prozent gesunken ist, stieg der Energiepreis für Österreichs Haushalte im selben Zeitraum an, wie A.T.Kearney erhoben hat. Ein Jahrzehnt nach der Liberalisierung des Strommarkts lahmt der Wettbewerb wieder. Die Motivation der Österreicher, zu billigeren Anbietern zu wechseln, ist gering. Die alten Landesversorger dominieren weitgehend das Geschäft.
Um das zu ändern, greift Mitterlehner in die politische Trickkiste – und in den Markt ein. Er will eine Beweislastumkehr im Kartellgesetz verankern. Konkret hieße das: Sobald marktbeherrschende Stromanbieter mehr verlangen als die Konkurrenz, müssten sie den Wettbewerbshütern nachweisen, warum das gerechtfertigt ist. Bisher muss die Kartellbehörde nachweisen, dass die Preise zu hoch sind.
Die Beweislastumkehr passierte bereits vor einiger Zeit den Ministerrat, Gesetz wurde sie nie. Sie scheiterte am Widerstand der Landesversorger (und ihrem nicht geringen Einfluss auf die Politiker der Koalition). Der Antrag verschwand wieder in der Schublade.
Stromkonzerne: Doppelte Marge
Jetzt holt Mitterlehner ihn wieder hervor und erntet prompt Applaus von der Arbeiterkammer. Andere erinnern sich mit weniger Begeisterung an den Gestaltungswillen des Ministers, wenn es um das Thema Preise geht. So erweckte er im Vorjahr die amtliche Preisregelung aus dem Koma. An langen Wochenenden schreibt der „Spritpreiskorridor“ Tankstellenpächtern vor, um welchen Preis sie Benzin und Diesel verkaufen dürfen. Dieser Rückfall in die temporäre Planwirtschaft wurde damals heftig kritisiert.
Was ist aber vom jetzigen Vorschlag zu halten? Schwächer als eine amtliche Preisregelung ist die Beweislastumkehr allemal. Ist es dennoch ein dreister Eingriff in den Markt oder probates Mittel gegen die Preistreiberei eines Oligopols?
Das Ministerium ist sich sicher: Die „Beweislasterleichterung“ sei keine Wettbewerbseinschränkung. Walter Boltz, Chef der E-Control, sieht das differenzierter: „Das ist natürlich ein Eingriff in den Wettbewerb“, sagt er zur „Presse“. Und als solcher „nicht ideal“. Allerdings sei der Strommarkt in Europa aufgrund massiver staatlicher Subventionen ohnedies stark verzerrt. Zudem lebten die früheren Staatsmonopolisten immer noch von ihrer einst privilegierten Marktstellung. Würden nur sie in die Pflicht genommen, sei die Beweislastumkehr ein gerechtfertigter Ausgleich für die Vorteile aus der Vergangenheit. Nach Schätzungen der E-Control hätten sich die Margen der Stromunternehmen zuletzt immerhin von 20 auf fast 50 Prozent verdoppelt. Die Branche will vom Vorwurf der Preistreiberei nichts wissen. Die Preise seien „fair“.
Das Gegenteil zu beweisen ist derzeit kaum möglich. Die E-Control kämpft seit Jahren darum, Einblick in die Kalkulation der Stromerzeuger nehmen zu dürfen. Die Beweislastumkehr brächte fallende Preise, erwartet Boltz. Erfahrungen aus Deutschland, wo eine ähnliche Regelung gilt, hätten gezeigt, dass etliche Stromkonzerne ihre Preise „freiwillig“ gesenkt hätten.
Energiesteuer bleibt gleich hoch
Günter Bauer, Experte für Wettbewerbsrecht bei Wolf Theiss, sieht das anders: „Ich meine nicht, dass diese Regelung zu mehr Preiswettbewerb führen würde“, sagt er zur „Presse“. Wenn Preisunterschiede „bestraft“ würden, führe das zwar zu einer Angleichung der Preise – aber nicht automatisch auf dem niedrigsten Niveau. Zudem könne ein Unternehmer kaum rechtfertigen, warum er teurer ist als sein Konkurrent, weil er dessen Kalkulation nicht kenne. Letztlich sei auch verfassungsrechtlich zu prüfen, ob der Bund hierbei nicht seine Kompetenzen überschreiten würde.
Den einfachsten Weg, Strompreise zu senken, nutzt die Regierung wohl auch nach der Wahl nicht. Bei den Steuern (immerhin ein Drittel des Preises) gebe es „keine Änderungen“, so Mitterlehner.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2013)