Wie sich SPÖ und ÖVP das Land teilen

Wie sich SPÖ und ÖVP das Land teilen
Wie sich SPÖ und ÖVP das Land teilen(c) REUTERS (HERWIG PRAMMER)
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Die Besetzung des Bundesverwaltungsgerichts erinnert einmal mehr daran, dass Parteibücher oft mehr zählen als Qualifikation. SPÖ und ÖVP vergeben die Posten im staatlichen Einflussbereich seit Langem paritätisch.

Wien. Die Gründung der Zweiten Republik mag 68 Jahre her sein, die Marktwirtschaft sich vor Jahrzehnten schon gegen die Planwirtschaft durchgesetzt haben. Dem Proporz aber konnte die Geschichte nichts anhaben – er hat die Jahrzehnte überdauert. In Österreich werden Jobs im staatsnahen Bereich nach wie vor zwischen den Regierungsparteien, die in der Regel SPÖ und ÖVP heißen, verteilt. Zwischenzeitlich, unter Schwarz-Blau, war auch ein Parteibuch der FPÖ von Vorteil.

Jüngstes Beispiel ist das neue Bundesverwaltungsgericht, das seine Arbeit 2014 aufnehmen wird. Die Liste mit 80 Richtern hat am Montag den Ministerrat passiert – und den Verdacht bestätigt, dass wieder einmal Personen mit einem Naheverhältnis zu den Koalitionsparteien zum Zug kommen würden („Die Presse“ hat berichtet).

In manchen Fällen ist die Verbindung besonders leicht rekonstruierbar: Mit der Kabinettschefin von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ), Daniela Huber, und der stellvertretenden Kabinettschefin von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), Margret Kronegger, kommen zwei Richterinnen direkt aus einem Ministerbüro.

Die Opposition erging sich am Mittwoch in heftiger Kritik an der Besetzung. Dabei sind die Gerichte – bis hin zum Verfassungsgerichtshof – nur Teil eines Systems, in dem das Parteibuch bei der Personalauswahl mehr zählt als die Qualifikation.

Eine Dissertation, die alle 87 Unternehmen, an denen der Bund mehr als 50 Prozent der Anteile hält, analysiert hat („Die Presse“ hat am 28.Jänner 2013 berichtet), bestätigt den „Austrian Way of Recruitment“: Bei zumindest jedem zweiten Spitzenjob spielt die Politik eine Rolle. In den Jahren 1995–2010 waren 719 der 1242 bestellten Manager einer Partei zuzuordnen.

Banken, Infrastruktur, Rundfunk

Die Palette der österreichischen Günstlingswirtschaft reicht vom Bankensektor über den Energie- und Infrastrukturbereich bis hinein in den Rundfunk. Im ORF akzeptiert die ÖVP nur deshalb einen roten Generaldirektor (Alexander Wrabetz), weil sie ihm einen schwarzen Finanzdirektor (Richard Grasl) zur Seite stellen durfte.

Der neue Vorstand der Nationalbank, der erst im Jänner bestellt wurde, setzt sich in den nächsten sechs Jahren aus je zwei Managern von SPÖ und ÖVP zusammen. In der Finanzmarktaufsicht (FMA) ist es nicht anders: Der Vertrag von Helmut Ettl, einem Vertrauten von Kanzler Werner Faymann, wurde im Februar verlängert. An Ettls Seite installierte die ÖVP den ihr nahestehenden Klaus Kumpfmüller.

Ein aktuelles Beispiel aus der Bankenwelt ist die notverstaatlichte Hypo Alpe Adria. Nach dem Rücktritt von Ex-Wirtschaftsminister Johannes Ditz als Aufsichtsratschef wurde eilig ein ÖVP-naher Nachfolger gesucht und in Klaus Liebscher gefunden. Stellvertreter ist weiterhin der frühere Unterrichtsminister und nunmehrige Kontrollbank-Chef Rudolf Scholten (SPÖ).

Beim Energiekonzern Verbund ist die Farbenlehre ebenso streng (General Wolfgang Anzengruber gilt als ÖVP-nah, sein Stellvertreter Hannes Sereinig und Vorstand Günther Rabensteiner werden der SPÖ zugerechnet) wie bei den roten ÖBB. Dort hält Josef Halbmayr die ÖVP-Fahne hoch. Auch auf dem Wiener Flughafen, bei dem Wien und Niederösterreich je 20 Prozent halten, ist das Management mit Julian Jäger und Günther Ofner von SPÖ und ÖVP geprägt.

Verkauf schadet dem Proporz

Allerdings gibt es auch Ausnahmen – wenn auch sehr wenige: Ausgerechnet jene drei Konzerne, deren Staatsanteile die (auch nicht mehr nach dem Proporz besetzte) Staatsholding ÖIAG hält, haben das alte System überwunden. Den Anstoß dazu dürfte die Börsenotierung gegeben haben. An der Spitze der OMV, der Post und der Telekom Austria stehen mit Gerhard Roiss, Georg Pölzl und Hannes Ametsreiter Manager, die als politisch unabhängig gelten. Dasselbe gilt für die AUA: Dort zog der Verkauf an die Lufthansa einen Schlussstrich unter das rot-schwarze Machtgefüge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2013)

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