Bulgarien ist in eine tiefe Krise geschlittert – ein Retter ist diesmal nicht in Sicht. Darin liegt eine Chance.
Ostavka“ ist das Zauberwort, das in den vergangenen 41 Tagen allabendlich durch die Straßen Sofias schallt: Es bedeutet Rücktritt und verdichtet als Forderung die Kritik der Demonstranten an der Regierung, an ihrer attestierten Willfährigkeit, Verantwortungslosigkeit und Arroganz.
Seit der Wende von 1989 haben es noch alle Regierenden geschafft, die Wähler zu enttäuschen. Ersichtlich ist das vor allem daran, dass kein Kabinett die Chance bekam, ein zweites Mal sein Können unter Beweis zu stellen. Umso beliebter waren dafür Neueinsteiger mit weißen Westen, die allerdings nicht lange unbefleckt blieben. Bisher drehte sich das Polit-Karussell alle vier Jahre in eine neue Richtung, doch 2013 droht alle paar Monate ein Kurswechsel – mit einem Unterschied: Ein Erlöser ist nicht in Sicht, eine oberflächliche Problembehandlung diesmal ausgeschlossen. Das macht die Krise so ernst.
In der Perspektivenlosigkeit liegt allerdings auch eine Chance: Denn die bulgarischen Bürger sind mündig geworden. Sie haben genug von den paternalistischen Heilsversprechen der Testosteronpolitiker und politplastischer Chirurgie. Eines sollten die Engagierten aber auch begreifen: Die Bewegung muss sich mit der Politik einlassen. Denn auf längere Sicht ist „Ostavka“ kein Zauberwort.
jutta.sommerbauer@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2013)