Spanien: Unglückszug war viel zu schnell unterwegs

Spanien Unglueckszug viel schnell
Spanien Unglueckszug viel schnell(c) REUTERS (REUTERS TV)
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Ein Hochgeschwindigkeitszug entgleiste in Santiago de Compostela. 78 Menschen sind tot, 130 verletzt. Der Lokführer soll bestätigt haben, dass er mit 190 statt der erlaubten 80 Kilometer pro Stunde gefahren ist.

Am Mittwochabend kam es im spanischen Santiago de Compostella zu einer der schlimmsten Katastrophen in der europäischen Eisenbahngeschichte. Ein aus Madrid kommender Schnellzug entgleiste kurz vor 21 Uhr bei der Einfahrt in die berühmte Pilgerstadt, die zum heutigen Jakobsfest Tausende Gläubige erwartete. Alle 13 Waggons des Zuges wurden aus den Schienen geschleudert, einige krachten gegen eine Mauer, andere verkeilten sich ineinander.

Die Zahl der Todesopfer ist mittlerweile auf 78 gestiegen, wie ein Vertreter der spanischen Regierung mitteilte. 131 Menschen wurden verletzt, 20 von ihnen sind in kritischem Zustand. 73 der Opfer wurden tot geborgen, fünf Menschen starben im Krankenhaus. Insgesamt waren nach Angaben der Eisenbahngesellschaft Renfe 247 Personen in dem Zug.

"Österreicher sind nach vorläufigem Wissensstand nicht unter den Opfern. Allerdings ist einer der Waggons ausgebrannt, die Identität aller Opfer steht noch nicht fest", sagte Martin Weiss, Sprecher des Außenministeriums in Wien

Aufnahme einer Überwachungskamera (Quelle YouTube):

190 statt der erlaubten 80 km/h?

In dem Zug waren zwei Lokführer unterwegs. Beide überlebten nahezu unverletzt. Einer von ihnen hat eingeräumt, viel zu schnell gefahren zu sein. Der Zug war mit rund 190 statt der erlaubten 80 Kilometer pro Stunde unterwegs, bestätigte er nach Angaben der Ermittler vom Donnerstag. Es wurde aber zunächst nicht klar, ob die Aussage des Lokführers unter Schock erfolgte, was ihren Wahrheitsgehalt in Frage stellen würde.

Auch über den Grund für die überhöhte Geschwindigkeit wurde noch nichts bekannt. Nach Angaben der staatlichen Bahngesellschaft Renfe habe es "kein technisches Problem" gegeben. Der Zug sei noch am Mittwochmorgen einer technischen Inspektion unterzogen worden, sagte Renfe-Präsident Julio Gomez-Pomar Rodríguez dem privaten Radiosender Cadena Cope.

Der Streckenabschnitt wurde erst Ende 2011 für Züge dieser Art adaptiert. Die Kurve an der Unglücksstelle ist relativ eng. Experten hatten bei der Planung darauf hingewiesen, dass die Kurve "problematisch" sei.

Anschlag ausgeschlossen

Der an den Unglücksort geeilte Regionalpräsident von Galicien, Alberto Nunez Feijoo, sprach von einem "schockierenden" Anblick. "Das ist wie Dantes Inferno." Auch Stunden nach dem Unglück waren einige Teile des völlig zerstörten Wracks den Rettungskräften nicht zugänglich. Die ganze Nacht lang waren 200 Personen im Rettungseinsatz, berichtete die Zeitung "ABC".

Die Behörden gehen von einem Unfall aus. Aus dem Innenministerium verlautete, dass ein Anschlag ausgeschlossen werde. Für Spekulationen sorgten jedoch Augenzeugenberichte, wonach kurz vor dem Unglück eine Detonation zu hören war. Das Unglück weckte zudem Erinnerungen an die islamistischen Anschläge auf Regionalzüge in der Hauptstadt Madrid im Jahr 2004, bei denen 191 Menschen ums Leben kamen.

Bilder von der Unglückstelle zeigten Waggons, die auf der Seite lagen und aus denen Rauch aufstieg. Ein Waggon war in der Mitte auseinandergerissen. Ein Waggon flog sogar über die Begrenzungsmauer hinweg. Spanische Medien veröffentlichten auch Bilder von um den Zug liegenden Leichen, die teils nur notdürftig mit Badetüchern oder Decken bedeckt waren. Die galizischen Gesundheitsbehörden riefen die Bürger auf, Blut zu spenden.

"Der Zug stand in Flammen"

"Es passierte so schnell", sagte ein Überlebender dem Radiosender Cadena Ser. Der Zug habe sich in einer Kurve verdreht, danach hätten sich die Waggons aufgetürmt. "Eine Menge Menschen wurde zu Boden gedrückt. Wir haben versucht, ins Freie zu kommen, und bemerkten dabei, dass der Zug in Flammen stand. Ich habe Leichen gesehen."

Die spanische Regierung trat noch am Mittwochabend zu einer Krisensitzung zusammen, nachdem zuvor Verkehrsministerin Ana Pastor an den Unglücksort geeilt war. Auch Regierungschef Mariano Rajoy besuchte am Donnerstag den Unglücksort. Rajoy, der selbst aus Santiago de Compostela stammt, sprach mit Rettungskräften, die weiter mit Bergungsarbeiten beschäftigt waren. Anschließend wollte er mit Verletzten im Krankenhaus sprechen.

Papst ruft zu Gebeten auf

Papst Franziskus zeigte sich am Rande seines Brasilien-Besuchs betroffen. "Der Papst teilt den Schmerz der Familien und lädt dazu ein, zu beten und diesem tragischen Ereignis im Glauben zu begegnen", sagte Vatikan-Sprecher Federico. Lombardi. Auch Fußball-Star Cristiano Ronaldo verlieh seiner "großen Traurigkeit" über das Unglück Ausdruck und warb auf Twitter dafür, den Opfern mit Blutspenden zu helfen.

Santiago de Compostela ist die Hauptstadt der autonomen Region Galicien und ein wichtiges Pilgerzentrum, das jährlich zehntausende Menschen anzieht. Am Donnerstag sollte dort ein Fest zu Ehren des Schutzpatrons von Galicien, des Heiligen Jakobs, stattfinden. Die Behörden sagten jedoch die geplanten Feiern nach dem Unglück ab.  Die Region rief eine siebentägige Trauer für die Opfer aus. König Juan Carlos und der Thronfolger Felipe sagten am Donnerstag alle offiziellen Termine ab, wie der Königspalast mitteilte

Der Unglückszug

Der Zug war vom Typ Alvia. Die Züge dieser Art erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometer. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sowohl auf der europäischen Normalspur des Hochgeschwindigkeitsnetzes als auch auf den traditionellen spanischen Breitspurgleisen fahren können. Der Unglückszug war auf dem Weg von Madrid zur Küstenstadt El Ferrol im Nordwesten Spaniens.

(APA/Reuters/Red.)

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