Piatnik: "Wir waren kurz davor zu gehen"

Piatnik waren kurz davor
Piatnik waren kurz davor(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Spielkartenfabrikant Ferdinand Piatnik erinnert sich an seine "Kriege" mit der Stadt Wien. Dass der Betrieb heute immer noch in Penzing steht, verdankt er dem Höchstgericht und der Hilfe von Brigitte Ederer.

Wien. „Ich bin kein Spieler“, sagt Ferdinand Piatnik, lehnt sich zurück und nimmt einen tiefen Zug von seiner Winston-Zigarette. Umringt von überdimensionalen Spielkarten an den Wänden, fällt es schwer, dem 65-Jährigen zu glauben. Immerhin führt er die Wiener Spielkartenfabrik Ferdinand Piatnik & Söhne mittlerweile in fünfter Generation. Doch um die Spielentwicklung selbst kümmert sich Ko-Geschäftsführer Dieter Strehl. Ferdinand (der Vierte) sorgt bei Piatnik stattdessen dafür, dass der Traditionsbetrieb auch Geld verdient und die Produktion in der Enge der Wiener Vorstadt überleben kann.

Ganz einfach ist das nicht. Als Ferdinand Piatnik (der Erste) vor über 120 Jahren mit dem Betrieb in die Hütteldorfer Straße zog, war Penzing noch ein Industriegebiet. Lärm, Schmutz, Platz waren kein Thema. Heute ist die Fabrik eingekesselt von Wohnbauten. Von außen deutet nichts darauf hin, dass just in diesem grauen Haus keine Menschen wohnen, sondern jährlich an die 25 Millionen Kartendecks produziert werden. Als einer von wenigen Produktionsbetrieben hat Piatnik die Stadt noch nicht verlassen. Doch mit seinem Standort hat das Unternehmen oft Probleme. Fehlende Zufahrtswege für Lieferanten und Parkpickerl sind da noch die Kleinigkeiten.

„Jede Menge Protektionitis“

Ferdinand Piatnik hatte schon größere Kriege mit der Stadtverwaltung auszufechten. An seinen größten erinnert er sich, als wäre es gestern gewesen. Mitte der Achtziger wollte der Familienbetrieb auf seinem Grund ausbauen. Doch Piatnik hatte die Rechnung ohne die Gemeinde Wien gemacht. „Als wir angefangen haben zu planen, sind wir dahintergekommen, dass die Stadt unseren Grund hinter unserem Rücken in Grünland umgewidmet hat“, erzählt Piatnik. Auch in bereits bestehenden Gebäuden hätten plötzlich Bäume und Sträucher stehen sollen. Der Grund dafür: Die Stadt Wien hatte das Nachbargrundstück für den sozialen Wohnbau erworben und wollte den Mietern eine Grünfläche bieten. Dafür hätte einer der weltgrößten Spielkartenhersteller eben auf seinen Baugrund verzichten müssen. Nur mit „jeder Menge Protektionitis“ habe man das Gröbste verhindern können, erinnert sich der Unternehmer. Zumindest ein Teil des „neuen“ Grünlands durfte wieder bebaut werden.

Doch die Probleme waren damit noch nicht vorbei. Denn das neue Nachbarhaus wurde direkt an die Produktionshalle von Piatnik angebaut. Die schweren (und lauten) Maschinen standen plötzlich Wand an Wand mit den Schlafzimmern der Mieter. Ärger war programmiert, es hagelte Beschwerden und Klagen. Nicht einmal wollte die Stadt dem Unternehmen die Betriebszeiten kürzen. Letztlich hat Brigitte Ederer, damals Präsidentin des Wirtschaftsförderungsfonds, ausgeholfen. Sie streckte Piatnik eine Million Schilling an Fördermitteln vor, um die Gebäude „trennen“ zu lassen. Einzige Auflage: Piatnik muss vor Gericht versuchen, das Geld von der Stadt zurückzuholen. Es sollten Jahre vergehen, bis die Höchstrichter dem Fabrikanten letztlich recht gaben.

„Auflagen, Auflagen, Auflagen“

Für den Betrieb waren es harte Zeiten in Wien. „Wir waren kurz davor zu gehen“, sagt Piatnik. „Die Bürgermeister haben uns den roten Teppich ausgerollt.“ Dass er dennoch geblieben ist, verdankt er der Erfahrung eines befreundeten Unternehmers. Auch dieser floh vor der Wiener Bürokratie, habe ihm dann aber berichtet: „Ich bin nach Himberg gegangen. Jetzt habe ich die Probleme eben in Himberg.“

Mittlerweile ist Piatnik über die Entscheidung zu bleiben nicht unglücklich. Mehr Platz braucht das Unternehmen, das im Vorjahr 17 Millionen Euro Umsatz und „keinen berauschenden Gewinn“ gemacht hat, derzeit nicht. Auch die Stimmung der Stadt gegenüber Unternehmen habe sich gewandelt. „Man bekommt immer noch Auflagen, Auflagen, Auflagen“, sagt Piatnik. Aber eben auch Anerkennung. In unterschiedlichster Form: Seit Kurzem entwickelt Piatnik Therapiespiele zur Demenzprävention. Förderung dafür kommt von der Departure, der Kreativagentur der Stadt Wien. Wer gut sucht, findet in Penzing seit 1997 aber auch ein früheres Friedensangebot der Stadt: den Ferdinand-Piatnik-Weg.

Auf einen Blick

Die Spielkartenfabrik Piatnik erzeugt seit dem Jahr 1824 Spielkarten und seit den 1960ern auch Brettspiele in Wien. Auch das aktuelle Spiel des Jahres „Kingdom Builder“ kommt aus dem Hause Piatnik. Über 80Prozent der Produkte gehen in den Export, zwei Drittel davon nach Europa.

Weltweit beschäftigt der Familienbetrieb rund 175 Mitarbeiter, 125 davon in Wien. Im Vorjahr wurde ein Umsatz von
rund 17 Millionen Euro erzielt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2013)

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