Das Zugunglück in Brétigny-sur-Orge mit sechs Todesopfern wurde noch nicht aufgeklärt.
Paris. Im Pariser Vorort Brétigny-sur-Orge, wo am 12.Juli bei der Entgleisung des Schnellzugs nach Limoges sechs Menschen getötet und 30 weitere verletzt wurden, ist die Unfallstelle geräumt. Es fahren wieder Züge, aber noch immer wartet man auf die offiziellen Ergebnisse der Untersuchungen zu den Ursachen und Umständen des Unglücks. An Gerüchten und Spekulationen mangelt es aber nicht.
Laut zwei französischen Polizeigewerkschaften sind die Ordnungshüter, die zur Sicherung der Unfallstelle eintrafen, von Jugendlichen aus benachbarten Siedlungen mit Steinen beworfen worden. Auch gibt es Gerüchte, dass Helfer und Opfer des Unglücks bestohlen und beraubt worden seien. Die Polizeipräfektur hat diese Meldungen relativiert, aber Steinwürfe auf Polizisten und Feuerwehrleute bestätigt. Inzwischen stehen mindestens zwei Diebstähle fest, regelrechte Plünderungen soll es aber nicht gegeben haben.
Unklar bleiben vor allem die exakten Ursachen der Entgleisung. Die SNCF-Bahndirektion verweist alle Fragen an die Justiz weiter, die wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Eisenbahner haben behauptet, die von den Unfallexperten am Ort des Geschehens sichergestellten vier Bolzen seien nicht die richtigen und womöglich ausgetauscht worden.
Zweiter Zug entgleist
Weiterhin bleibt schleierhaft, wie sich das von diesen Bolzen normalerweise auf zwei Schienenteilen fixierte, rund zehn Kilogramm schwere Verbindungsstück von selbst gelöst und dann in der Weiche verklemmt haben kann. Der Verdacht, dass Sabotage im Spiel war, bleibt bestehen – und erhärtete sich sogar, nachdem erst viel später bekannt wurde, dass ebenfalls am 12.Juli in Fromental bei Limoges auf einem Areal zur Lagerung von abgeschwächtem Uran des Atomkonzerns Areva ein zweiter Zug entgleist war.
In Fromental aber ist dasselbe Metallteil, das die Schienen zusammenhält, der Grund der Entgleisung gewesen. Es ist dort offenbar mutwillig entfernt worden. SNCF und Areva haben gegen unbekannt Klage wegen Sabotage eingereicht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2013)