Durch Schlamm und Schlick

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Die Thalasso-Therapie ist nicht geschützt - nicht jede Anwendung mit Algenwickeln, Meersalz oder Sand verspricht auch die gewünschte Heilung.

Thalasso-Therapie in Österreich? „Das ist eigentlich Etikettenschwindel, denn für eine echte Thalasso-Therapie braucht man unbedingt Meer und Meeresküstenklima“, sagt der österreichische Kurexperte und Chronobiologe Wolfgang Marktl. Was in Österreich geboten wird, ist also maximal torsohafte Thalasso-Therapie – das sind etwa Algenwickel, Schlickpackungen und Anwendungen von getrockneten Meersalzprodukten.

Sicher, schlecht ist das keinesfalls, tut Wohlbefinden und Haut auch zweifellos sehr gut – mit Thalasso hat es allerdings nur marginal zu tun. Und beim frischen Meerwasser, das eines der Markenzeichen unverfälschter Thalasso-Therapie ist, sind schon gar keine Improvisationen möglich. „Man kann natürlich normales Wasser salzen und sagen, das ist Meerwasser“, sagt Marktl. Das Problem: Der Begriff Thalasso ist nicht geschützt und daher treibt die Meertherapie in den Alpen und auf der grünen Wiese wilde Blüten. Thalasso aber bedeutet Meer, es rührt von dem griechischen Wort „thalassa“ her. „Eine echte Thalasso-Therapie ist immer eine Kombination aus Balneo- (Bäder) und Klimatherapie. Die Wechselwirkung zwischen Sonne, Jod, Meerwasser und belebender, allergenarmer Meeresluft hat einige therapeutische Wirkungen.“ Wissenschaftliche Studien dazu seien zwar rar, im Großen und Ganzen beruhe Thalasso aber auf tausendfachen Erfahrungen.


Bekannt seit den alten Griechen. Erfahrungen, die schon die alten Römer und Griechen gemacht haben. Allgemein anerkannt ist die Thalasso-Therapie seit dem 19.Jahrhundert, seit den 1930ern ist sie vor allem in Frankreich weit verbreitet. Heute gelten Stars wie Sharon Stone oder Karl Lagerfeld als Fans dieser Therapie – vielleicht auch, weil ihre kosmetische Wirkung nicht zu verachten ist. Zumindest wird streichelweiche Haut fast immer garantiert, eine straffende Wirkung versprochen und gern auch behauptet, dass Thalasso-Behandlungen die verhasste Cellulitis mindern. Doch ganz ohne Bewegung reduzieren sich die unliebsamen Dellen in der Haut nicht.

„Im Süden kann die therapeutisch günstige UV-Bestrahlung unter anderem die Vitamin-D-Synthese stimulieren, da muss man gar nicht weit reisen, es reicht schon Slowenien oder Italien“, sagt Marktl. Das Meeresklima mit seiner salz- und jodgeschwängerten Luft tut aber vor allem Rheumatikern und Asthmatikern gut: Die Lunge weitet sich, man atmet automatisch tiefer, zudem wirken die Aerosole (feinste Tröpfchen) schleimlösend.


Schön und gesund. Auch das Meer ist ein Elixier für Gesundheit und Schönheit. Die natürlichen Wirkstoffe, die im Meerwasser, aber auch in Algen, Schlick, Sedimenten und Meersalz enthalten sind, sollen das allgemeine Wohlbefinden verbessern und die Regeneration nach einer durchgestandenen Krankheit fördern. Die antibakterielle Wirkung einiger im Meerwasser enthaltenen Substanzen tut ihr Übriges.

Klassische Thalasso-Zentren behandeln unter anderem Atemwegserkrankungen, Hautleiden und Gelenkserkrankungen wie Rheuma oder Arthrose, aber auch Durchblutungsstörungen und Burn-out. Auch Knochenkrankheiten, Allergien, Kreislaufprobleme und Stoffwechselstörungen können auf diese Weise therapiert werden. Die eingesetzten Therapien sind durchwegs angenehm – die Hydromassagen mit der Wirkung von Meerespflanzen ebenso wie Wechselbäder in eiskaltem und warmem Meerwasser; auch die Packungen mit Schlamm sedimentären Ursprungs und Inhalationen; die Bewegungstherapie in Pools mit gewärmtem Meerwasser ebenso wie Massagen und diverse Behandlungen mit Meeresalgen. Algen sagt man übrigens eine kreislaufanregende und verdauungsfördernde Wirkung nach.


Thalasso-Land Tunesien. Nach Frankreich ist Tunesien der zweitgrößte Anbieter von Thalasso-Therapien. Eines der Österreich am nächsten gelegenen Thalasso-Zentren mit Kurmöglichkeit befindet sich in Portorož. „Die chemische Analyse des balneologischen Institutes München hat nachgewiesen, dass der bei uns zur Thalasso-Therapie verwendete Salinenschlamm und das Solewasser bezüglich ihres reichen Gehalts an Mineralien einzigartig in Europa sind. Hervorzuheben ist da besonders der außerordentlich hohe Gehalt an Natrium, Chlorid, Brom, Schwefel und Magnesium“, sagt Lepa Veljanovic, Kurärztin im Thermen- und Wellnesszentrum der Life-Class-Gruppe. Eine Packung mit Salinenschlamm kann unter anderem rheumatische Beschwerden und diverse Hauterkrankungen lindern.
Stichwort Hauterkrankungen: „Die bekannte Psoriasis-Therapie am Toten Meer ist ebenfalls eine Thalasso-Therapie“, sagt Marktl. Hier werden die intensive Sonnenstrahlung und der extreme Salzgehalt des Meeres gegen die Schuppenflechte oder Neurodermitis eingesetzt.


Gesund durch Kältereize. Die Thalasso-Therapie gibt es auch im Norden, an der Ost- und Nordsee. „Früher sprach man da von Regime Refrigerans, da steckt die sogenannte Kältetherapie darin.“ Darum geht es auch, wenn resistenzschwache Kinder – also solche, die häufig an Infekten leiden – an die Nord- oder Ostsee zur Thalasso-Therapie in spezielle Sanatorien geschickt werden. „Sechswöchige Thalasso-Kuren stärken das Immunsystem der kleinen Patienten. Teil der Therapie sind dabei dosierte Kältereize, denen die Kinder ausgesetzt werden. Sie gehen zum Beispiel barfuß an der Küste im Sand spazieren.“ Und viele der Kleinen dürfen sich auf ein Folgejahr ohne oder mit nur wenigen Infekten freuen.

Heilsame Kraft des Meeres

Als Thalasso (thálassa – griechisch für Meer) wird die Behandlung von Atemwegserkrankungen, Rheuma und Hautkrankheiten mit Meerwasser, Sonne, Sand, Algen bezeichnet. Erstmals erwähnt 1750 vom engl. Arzt Richard Russel, erlangte die Therapie im 19. Jhdt. allgemeine Anerkennung. Größte Anbieter von Thalasso-Therapien sind Fankreich und Tunesien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2013)

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