Die Wiener haben zwar kein Meer, das hindert sie aber nicht daran, sich umso mehr Strandbars einzurichten, diese sind ihm offensichtlich ohnehin lieber als sandige Badestrände.
Vielleicht ist es ausgerechnet das Fremde, das Exotische, genau das, was man hier eben nicht hat, das der Wiener so sehr liebt. Auch wenn es ungewohnt klingen mag, aber warum sonst ist der gemeine Wiener – wie wohl auch ein Großteil der Österreicher – so verrückt nach Sand? Erde ist ihm egal, Steine sowieso. Aber geht es um kleine Sandkörner, macht sich sofort ein Lächeln im Gesicht breit und meist dieselbe Assoziation: Entspannung, Urlaub, Sonne, Füße in den Sand, in der Hand ein kühles Getränk und die Krönung: nichts tun, man kann es auch etwas hübscher mit Müßiggang beschreiben.
Und weil es all das, also speziell den Sandstrand, in Wien eben nicht gibt und auch nicht so schnell geben wird, macht sich das der Wiener eben selbst. Wobei das Baden dabei nicht im Vordergrund stehen dürfte. Denn obwohl es 1918 im Strombad Nussdorf zwar Sandflächen gab und auch das Gänsehäufel einst mit Sand aufwarten konnte, gibt es heute kein Bad mehr mit einem richtigen Sandstrand. Hingegen setzt man auf den wesentlich praktischeren Kies. Im Gänsehäufel besteht der 1,2 Kilometer lange Strand aus Kies, ebenso im Strandbad Alte Donau und im Angelibad.
„Im Schnitt müssen wir jedes Jahr an die 80 Kubikmeter Schotter auffüllen. Mit einem Sandstrand wäre das so eine große Dimension, das würde sich nicht auszahlen. Sand hört sich zwar gut an, aber der wird so schnell heiß und ist viel zeitaufwendiger“, sagt Robert Swoboda, Badebetriebsmeister im Gänsehäufel. Geliefert wird der Schotter, der jenen, den die Donau mitgenommen hat, ersetzen muss, übrigens von der MA42. „Das wird ein burgenländischer Schotter sein“, sagt Swoboda. Man merkt ihm die Erleichterung an, dass niemand im Gänsehäufel nach einem Sandstrand verlangt.
Ein Millimeter Rundkorn
Ganz anders sieht das in den vielen Strandbars aus, die in den letzten Jahren vorrangig am Donaukanal, aber auch an anderen Ecken der Stadt – etwa der Strandclub Sand in the City am Heumarkt – eröffnet haben. Dort zählen Sand, Strandliegen, Sonnenschirme und eine Cocktailbar offenbar zur Grundausstattung. „Die Leute lieben das, sie ziehen sich ihre Schuhe aus und stecken die Füße sofort in den Sand“, sagt dazu Rudi Konar, der seit 2005 die Strandbar Herrmann betreibt. 800 Tonnen Sand liegen dort auf dem Boden. Er bleibt das ganze Jahr über hier, während der Strandbarsaison wird er täglich gereinigt, immerhin spielen dort auch Kinder im Sand. Alle zwei Jahre wird er mit neuem Sand aufgeschüttet. „Der Sand kommt aus der March, das ist feiner Kristallsand, ein Millimeter Rundkorn, gewaschen. Es ist wichtig, dass er gewaschen ist, sonst staubt er nämlich“, sagt Konar.
Haya Molcho, die den Tel Aviv Beach auf der anderen Seite des Donaukanals ein Stück flussaufwärts betreibt, hat sogar generationenspezifische Verhaltensunterschiede bei ihren Gästen ausgemacht. „Die Jungen, die sich vielleicht keinen Urlaub leisten können, sitzen immer als Erstes im Sandbereich. Die Älteren nehmen lieber auf der Holzterrasse Platz, die haben wohl genug Sand im Urlaub“, sagt Inhaberin Molcho, deren Geschäftsführer praktischerweise aus einer Familie stammt, die eine Schottergrube betreibt. „Der Sand ist ein klassischer Kinderspielplatzsand und stammt aus dem Marchfeld und aus Oberösterreich.“ Da in so einem Sand auch oft Kinder spielen, muss er natürlich nicht nur gereinigt, sondern auch überprüft werden.
Behördliches Sandgutachten
Ein- bis zweimal im Jahr wird ein Sandgutachten erstellt. „Das wird vom Magistrat für die Betriebsanlagengenehmigung verlangt. Da wird geprüft, ob der Sand frei von Schwermetallen oder Schadstoffen ist“, sagt Anton Tomasiewicz, der den City Beach am Donaukanal auf der Seite des zweiten Bezirks zwischen Schweden- und Marienbrücke betreibt. Sein Sand stammt aus einer Schottergrube aus Gerasdorf. „Wien war ja einmal ein Meer; die bauen dort den Ursand ab“, sagt Tomasiewicz. Immerhin lässt sich Sand ja nicht so einfach künstlich herstellen. „Das sind alles Ablagerungen von den letzten paar Millionen Jahren“, bestätigt Leopold Kovanda vom gleichnamigen Sand- und Schotterwerk.
So gesehen steckt man selbst am Donaukanal seine Füße in Meersand. Und man kann das an immer mehr Orten tun; während die Seite des zweiten Bezirks mit Tel Aviv Beach, City Beach und Adria beinahe flächendeckend mit Sandstränden ausgestattet ist, gab es auch heuer auf der Seite des ersten Bezirks Zuwachs. So hat etwa das Badeschiff eine neue Strandbar mit – eine Seltenheit am Donaukanal – Zugang zum Wasser, in dem man auch schwimmen kann. „Wir haben heuer drei neue Bereiche: den Laderaumgastgarten, das Pop-up-Restaurant It's all about the meat, baby und die Strandbar mit einer Zugangsbrücke zum Badeschiff“, sagt Geschäftsführer Günther Hopfgartner. Ein richtiges Strandbad ist also selbst das nicht, immerhin muss, wer baden gehen will, den Rad- und Fußweg überqueren. Da bleibt der Wiener doch lieber sitzen und steckt die Füße in den Sand.
Donaukanal-Tipps
Strandbar Badeschiff
zwischen Schwedenplatz und Urania, heute ab elf Uhr: DIY-Design-Markt
Tel Aviv Beach
U2/U4 Schottenring, täglich: 12–24h
City Beach
zwischen Schweden- und Marienbrücke, täglich: 11–23h
Hafenkneipe
Höhe Franzensbrücke, täglich: 12–24h (kein Sand)
Strandbar Herrmann
bei der Urania, täglich: 10–2h
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2013)