Nein, es geht nicht darum, wie man ihn knotet: Auch so hilft er gegen Sonne, Kälte, Mücken, er dient als Handtuch und nützt beim Stadtrundgang.
Das lila Tuch haben wir letzten Monat in Italien erworben, von einem der armen Kerle, die bei 35 Grad im Schatten Taschen voller Krimskrams – Ohrringe, Schwimmreifen, „Gucci“-Brillen – über den Strand schleppen. In der Fachsprache nennt man es einen Pareo, wir haben mehrere davon, und sie begleiten uns jedes Jahr ans Meer: Sie sind multifunktionaler als jedes Schweizermesser. Und ich rede jetzt nicht von den vielen Arten und Weisen, wie man solche Tücher zum Kleid oder Rock knoten kann. Solche ästhetischen Finessen interessieren uns gar nicht. Uns interessieren die funktionalen Dinge: So ein Pareo ist zum Beispiel ein tolles Handtuch, leicht, platzsparend und nach einer halben Stunde wieder trocken. Vor allem, wenn man ihn mit Wäscheklammern am Sonnenschirm befestigt – so spendet er außerdem Schatten, und das ist in italienischen Strandbädern, wo pro Familie ein Schirm reserviert ist, hoch notwendig.
12 Uhr. Auf See. Kein Sonnenbrand. Schade, dass ich kein Foto von Hannah auf Dottore Giovanni Pratos Segelboot gemacht habe: Von Kopf bis Fuß war sie in Tücher gehüllt. 12 Uhr. Wolkenlos. Kein Sonnenbrand.
Am Abend kommt der Pareo auch mit – falls es kühl wird. Oder falls die Mücken nerven. Oder falls wir auf einem jener unbequemen Sessel zu sitzen kommen, die ohne schützendes Tuch ein Muster auf die Oberschenkel prägen. Als die Kinder noch kleiner waren und sich gern auf einer Bank zusammenrollten, während wir Großen noch tranken und redeten, dienten die Pareos ihnen als Kopfpolster und/oder Decke.
Und nicht zuletzt: die Kirchen! Kurz ein Tuch um die nackten Schultern geschlungen, und der Pfarrer übersieht großzügig Flipflops und Strandkleid. So ist man sogar in Santa Maria Maggiore in Rom willkommen. In Italien gibt es keine Gelegenheit, bei der ich den Pareo nicht mithätte: beim Einkauf, beim Stadtbummel, auf dem Strand, im Lokal, auf der Terrasse, im Zug, beim Sightseeing.
Der Vorläufer des lila Pareos mit den kleinen Geckos darauf war übrigens ein rosa Batiktuch. Wir haben es vor sechs Jahren gekauft, nun ist er löchrig und eingerissen und wartet in einem Winkel darauf, dass die Kinder seine Existenz endgültig vergessen. Denn bei allem emotionalen Wert, den diese Tücher für uns auch haben: Wer braucht schon ein rostiges Schweizermesser?
Bettina Steiner
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2013)