Nicht Muscheln, sondern Steine sind das beste Erinnerungsstück an den jüngsten Strandurlaub. Sie haben eine besondere Magie.
Sieben Tage Paros wiegen 1,7 Kilo. Früher wären sie noch schwerer gewesen, da war das mit dem Fluggepäck noch nicht so streng. Wenn jemand meine Tasche hebt und scherzhaft fragt: „Sind da Steine drin?“, sage ich: „Ja.“ Wenn ich am Meer bin, muss ich Steine sammeln. Muscheln auch, aber nur ganz besonders schöne. Sie haben nicht die Magie, die Steine haben, geschliffen von der Brandung, hin- und hergetragen zwischen irgendwo und hier.
Wenn man den Strand entlanggeht, leuchten sie einem entgegen, die strahlend weißen runden, die glitzernden, rauen, die verrückten, mit den bunten Adern. Man klaubt bei jedem Spaziergang nur die schönsten und muss ein gutes Zwischenlager finden, etwa in Brillenhüllen. Manchmal finden sich abgerundete Glasscherben zwischen den Steinen im Sand, weiße, grüne, manchmal auch blaue, Relikte einer Party am Strand oder einer achtlos über Bord gegangenen Bierflasche. Die Wellen haben die Scherben harmlos gemacht, die schneiden niemanden mehr. Die Wellen können das, die Schärfe nehmen. Auch von anderen Dingen. Man muss nur lange genug übers Wasser schauen, zum Horizont hin und weiter und zusehen, wie das Blau sich verändert. Vom idyllischen Babyblau und Türkis über dem flachen Sandteil hin zum dunklen Blau, wo es richtig tief wird, dahinter wird es schwarz. Mittags glitzert die Sonne weiß auf dem Wasser, abends dann golden.
Daheim glitzert gar nichts mehr. Die Steine sind stumpf, wenn sie trocken sind, aber man kann sie wieder zum Leuchten bringen. Ich weiß nicht mehr bei allen Steinen, woher sie stammen, aber ich weiß genau, woran sie mich erinnern. Friederike Leibl
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2013)