In der Koalition wird der Streit um die Sozialpolitik härter. Khol schließt höheres Pensionsalter bis 2018 aus. Differenzen um Steuerbonus bei Frühpension und Pflege.
Wien/Ett. Die Sozialpolitik wird zum Hauptaufmarschgebiet für beide Regierungsparteien im Wahlkampf. Neben der Auseinandersetzung um das Frauenpensionsalter – die ÖVP versichert, das gesetzliche Pensionsalter werde in der kommenden Legislaturperiode nicht erhöht, die SPÖ beharrt auf einer Zusage von ÖVP-Chef Michael Spindelegger – kommt es jetzt auch wegen der Pflege zur Konfrontation. Der Grund: Der ÖVP-Seniorenbund findet sich nicht damit ab, dass die SPÖ nur mehr Mittel in die Sachleistungen pumpen und das Pflegegeld nicht erhöhen will. Deswegen kommt Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) unter Beschuss.
Auslöser dafür sind Aussagen des Sozialministers vor Kurzem in der „Presse“. Der Ressortchef hatte erklärt, die zusätzlichen Mittel von 650 Millionen Euro im Pflegefonds seien für einen Ausbau von Sachleistungen statt für eine Anhebung des Pflegegeldes.
„Ein Griff in die Taschen“
ÖVP-Seniorenchef Andreas Khol lehnt das strikt ab: „Das ist der alte Griff des sozialistischen Fürsorgestaates in die Taschen der Pflegegeldbezieher.“ Damit wolle Hundstorfer den Betroffenen und den Familien die Wahlfreiheit und die Autonomie nehmen, selbst zu entscheiden, wofür sie das Pflegegeld verwenden. „Wir werden dem energisch entgegentreten“, kündigte der ÖVP-Seniorenchef an: „Wir wollen keine Taschengeldgesellschaft.“
Er fordert, dass schon im Zuge der Verhandlungen über das Budget 2014, die allerdings einvernehmlich von SPÖ und ÖVP auf die Zeit nach der Nationalratswahl verlegt wurden, eine Erhöhung des Pflegegeldes für die insgesamt rund 440.000 Bezieher festgelegt wird. Geld dafür ist seiner Ansicht nach vorhanden: durch die Aufstockung des Pflegefonds sowie durch Umschichtungen von Mitteln im Sozialministeriums, weil etwa die Ausgaben für die Pensionen unter dem Budgetvoranschlag liegen.
SPÖ fordert Nein Spindeleggers
Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen SPÖ und ÖVP stehen weiter die Pensionen. Khol war am Montag um Beruhigung bemüht. „In der kommenden Legislaturperiode schließe ich jede Änderung des gesetzlichen Pensionsalters aus“, das gelte auch für das Frauenpensionsalter. Seine Zusage würde so bis 2018 gelten.
Die SPÖ gibt sich damit nicht zufrieden. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek fordert eine eindeutige Absage von ÖVP-Chef Michael Spindelegger an eine Anhebung des Frauenpensionsalters vor 2024: „Ich vermisse klare Worte.“ Spindelegger hatte zuletzt eine frühere Erhöhung überlegt.
Für Khol handelt es sich um eine „künstliche Aufregung“ und „wahlkampftaktische Propaganda“ der SPÖ. Spindelegger sei „falsch verstanden“ worden. Denn beim Sparpaket 2012 habe die Koalition Maßnahmen (Pensionskonto, Verschärfung bei den Invaliditätspensionen) beschlossen, deren Wirkung 2016 bewertet werden müsste. Steige das tatsächliche Pensionsantrittsalter bis dahin um zwei Jahre, seien keine weiteren Reformen nötig. Sonst müsse man die „Gesamtlage“ anschauen.
Heinisch-Hosek lehnt eine frühere Angleichung des Pensionsalters im ASVG-System an jenes der Männer mit 65 Jahren aus zwei Gründen ab: fehlende Gleichstellung der Frauen im Beruf und höhere Arbeitslosigkeit bei älteren Frauen. AK-Expertin Ingrid Moritz assistierte, für diese Gruppe sei die Lage am Arbeitsmarkt schon seit Jahren „angespannt“. Die Frauenministerin nahm die Unternehmen in die Pflicht: Diese müssten sich die Erfahrungen älterer Frauen verstärkt zunutze machen.
Bonus bei Frühpension umstritten
Die ÖVP blitzt allerdings auch mit dem Vorschlag in ihrem Wahlprogramm ab, die steuerliche Begünstigung von Golden Handshakes zu streichen. Damit soll der Zugang zur Frühpension weniger attraktiv werden, wenn Unternehmen außertourlich großzügige Abfertigungen zahlen, damit Mitarbeiter vorzeitig in Pension gehen. Im Büro von Finanzstaatssekretär Andreas Schieder heißt es, die SPÖ habe dies schon bei einem früheren ÖVP-Vorstoß abgelehnt: „Unsere Position hat sich nicht geändert.“ Die SPÖ argumentierte, eine Trennung zu regulären Abfertigungen sei schwierig.
Auf einen Blick
Frauenpensionsalter. Mittels Verfassungsregelung wurde 1992 festgelegt, dass das gesetzliche Pensionsalter der Frauen (ASVG, Bäuerinnen, Gewerbetreibende) ab 2024 schrittweise von 60 auf 65 Jahre angehoben und damit an jenes der Männer angeglichen wird. Seit ÖVP-Obmann Michael Spindelegger eine frühere Anhebung überlegt hat, gehen im Wahlkampf die Wogen hoch. ÖVP-Seniorenchef Andreas Khol schloss am Montag jegliche Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters bis 2018 aus. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) fordert aber eine „klare Absage“ Spindeleggers.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2013)