Schlepper-Razzia gegen Klosterbewohner

WIENER SERVITENKLOSTER WIRD 2014 HEIM FUeR MINDERJAeHRIGE FLUeCHTLINGE
WIENER SERVITENKLOSTER WIRD 2014 HEIM FUeR MINDERJAeHRIGE FLUeCHTLINGEAPA/HELMUT FOHRINGER
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Das Bundeskriminalamt verhaftet drei Votivkirchen-Aktivisten. Der Verdacht: Sie seien Mitglieder einer "großen, kriminellen Organisation". Die Caritas zeigte sich „schockiert“.

[WIEN/awe] Bot die Gruppe der Votivkirchen-Aktivisten, die seit vergangenen Herbst gegen ihre Abschiebung kämpft, unwissentlich auch organisierten Kriminellen Schutz?
Die Staatsanwaltschaften Wien und Wiener Neustadt glauben ja. Dienstagnachmittag vollzogen Beamte des Bundeskriminalamts die Haftbefehle, drei Personen, die bis dahin im Servitenkloster Unterschlupf fanden, wurden festgenommen. Damit bekam die seit Sonntag laufende Debatte zu den aktuellen Abschiebungen von zurückgewiesenen Asylwerbern aus Pakistan eine neue Wendung. Die Vorwürfe sind schwerwiegend.

Seit März laufen Ermittlungen gegen ein Netzwerk von Schleppern. Die "große, kriminelle Organisation" soll Pakistani über die Türkei und den Balkan in die EU geschleust haben. Pro geschleppter Person sollen bis zu 10.000 Euro verlangt worden sein. Zielländer waren neben Österreich vor allem Deutschland, Frankreich und Skandinavien. Bisher wollen die Ermittler Beweise für etwa 1000 geschleppte Personen zusammengetragen haben, die dafür mindestens drei Millionen Euro an die Bande zahlten.
Neben den drei im Umfeld des Servitenklosters festgenommenen Personen gab es nach noch drei weitere Verhaftungen in Österreich.

Caritas: "Sind extrem verärgert"

Unangenehm ist die Razzia vor allem für die Wiener Caritas, die sich seit der Formierung der Gruppe um die zurückgewiesenen Asylwerber kümmert. Generalsekretär Klaus Schwertner war „schockiert“, betonte aber, dass ihm die Vorwürfe neu seien. „Wir sind extrem verärgert, falls die Caritas hier von Einzelnen ausgenutzt wurde.“ Der Fall ändere jedoch nichts daran, dass sich seine Organisation auch weiterhin für die verbliebenen und nicht unter Verdacht stehenden Asylwerber engagieren werde.

Auf Grund dieser Entwicklung trat am Dienstag ein anderes Thema in den Hintergrund. Zuvor hatte nämlich ein im Internet veröffentlichter Videomitschnitt eines Polizeieinsatzes, der im Zuge einer Demonstration gegen die Abschiebungen am Montag stattfand, für hitzige Diskussionen gesorgt. Die Bilder zeigen den Zusammenstoß zwischen einer Demonstrantin und einem Polizisten. Die bisher nicht identifizierte Frau schlägt dabei im Fallen mit dem Kopf auf einer Stiege auf, der Polizist bietet ihr Hilfe und das Rufen eines Rettungswagens an. Sie lehnt – vor Schmerz weinend – ab. In sozialen Netzwerken wurde heftig darüber diskutiert, ob es sich bei dem Zusammenprall um einen Unfall, oder um Absicht handelte.

Während sich die Frau bis jetzt nicht bei der Polizei meldete oder beschwerte, wurde der Beamte in den sozialen Netzen namentlich als ranghoher Offizier einer Einsatzeinheit identifiziert. Laut Angaben seiner Behörde habe er den Vorfall noch während des Einsatzes und vor dem Auftauchen des Videos im Internet gemeldet. Man sucht nun nach der Frau und nach Zeugen. Eine interne Erhebung ist im Gang.

Auch die Staatsanwaltschaft muss sich mit dem Zwischenfall beschäftigen. Dienstagvormittag gingen ebendort zumindest zwei Anzeigen wegen Körperverletzung gegen den Polizeioffizier ein. Eine stammt von einem Anwalt, die andere von der Organisation „Resistance for Peace“.

Kritik an Asylgericht

Nachdem das Innenministerium am Montag die Vorgänge rund um die erfolgten und geplanten Abschiebungen der Votivkirchen-Aktivisten dargelegt hatte (Fazit: Man setze nur ordnungsgemäß die Anordnungen des Asylgerichts um), meldete sich am Dienstag der Anwalt mehrerer Betroffener zu Wort. Auch via Video, auch auf dem Internetportal YouTube.
Lennart Binder, der einst Mohammed Mahmoud im „Terror-Prozess“ vertrat, behauptet in der Aufzeichnung, dass ihm der Zugang zu seinen Mandanten verweigert worden sei. Zudem äußert er Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Verfahren seiner Mandanten. Zitat: „Die Leute wurden um Fristen gebracht und betrogen.“

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