Interview. Der 23-jährige Asylwerber Jawid Najafi spricht über seine abenteuerliche Flucht aus Afghanistan, die ihn über den Iran und die Türkei nach Österreich geführt hat. Organisiert wurde die insgesamt eineinhalbmonatige Odyssee von – wie er sagt – „gut vernetzten Schlepperbanden“.
Wie sind Sie nach Österreich gelangt?
Jawid Najafi: Mithilfe von Schleppern, die mich von Afghanistan über den Iran und die Türkei nach Wien gebracht haben. Von Afghanistan und Pakistan aus ist das die am häufigsten benutzte Route. Die Türkei ist Dreh- und Angelpunkt für Schlepper, um Flüchtlinge nach Europa zu schleusen.
Wie lange hat Ihre Flucht nach Wien gedauert?
Eineinhalb Monate, was nicht besonders lange ist. In der Regel sind die Flüchtlinge mehrere Monate unterwegs, weil weite Strecken zu Fuß zurückgelegt werden.
Warum ging es bei Ihnen schneller?
Ich hatte Glück und bin hauptsächlich in Autos, Bussen und Lkw mitgefahren. Allerdings hat die Fahrt von Istanbul nach Wien 14 Tage gedauert. Ich war im Frachtraum eines Lkw eingepfercht, durfte mein Versteck die ganze Zeit über kein einziges Mal verlassen. Es war lebensgefährlich. Irgendwann ging die Tür auf und ich war in Wien.
Wie ging es dann weiter?
Der Schlepper hat mich in ein Taxi gesteckt, das mich ins Flüchtlingslager nach Traiskirchen fuhr.
Wie viel mussten Sie den Schleppern bezahlen?
Die genaue Summe kenne ich in meinem Fall nicht, weil mein Onkel alles organisiert hat. Aber für gewöhnlich verlangen sie zwischen 3000 und 10.000 Euro.
Warum diese große Spanne?
Das kommt darauf an, auf welchem Weg Sie nach Europa gelangen wollen. Wenn Sie sich einen Pass fälschen lassen, um in einem Auto die Grenzkontrolle zu passieren, ist das natürlich teurer, als sich zu Fuß über eine Grenze schleusen zu lassen. Manche fliegen sogar mit gefälschten Pässen. Der Pass wird dann noch im Flugzeug auf der Toilette vernichtet. Sie landen beispielsweise in Wien und haben keine Dokumente bei sich.
Woher hatte Ihr Onkel so viel Geld?
Das war kein Problem, meine Eltern waren ziemlich reich.
Warum sind Sie überhaupt geflüchtet?
Ich wurde verfolgt. Meine Eltern sind nach Streitereien wegen Grundstücken verschwunden, woraufhin auch ich in Gefahr war. Daher musste ich das Land verlassen.
Wie viele Schlepper haben Sie bei Ihrer Flucht zu Gesicht bekommen?
Drei. Jeweils einen, um mich in den Iran, in die Türkei und nach Österreich zu bringen. Die Schlepper, die dich von Afghanistan in den Iran schleusen, sind nicht wirklich organisiert. Das sind irgendwelche Leute, die dich ohne viel Aufwand über die Grenze begleiten und dich dann der eigentlichen, europaweit gut vernetzten Schleppermafia übergeben. Die Anführer kriegt man sowieso nie zu sehen, sie schicken immer nur ihre Mitarbeiter vor.
Hatten Sie keine Angst, dass man Sie im Iran oder in der Türkei aussetzt?
Das kann nicht passieren, weil die Schlepper im Nachhinein bezahlt werden. Als ich im Iran war, rief ich zu Hause an und sagte, dass es mir gut geht. Erst dann wurde das Geld übergeben. So ging das dann weiter, bis ich in Wien war.
Zur Person
Jawid Najafi ist vor acht Jahren als 15-Jähriger von Afghanistan nach Österreich geflüchtet. Sein Asylverfahren dauert an. Er ist ein subsidiär Schutzberechtigter, darf also in Österreich arbeiten, das Land aber nicht verlassen.
("Die Presse" Printausgabe vom 1.08.2013)