Väterbonus, Stillzuschlag und kostspielige Krippenplätze

Vaeterbonus Stillzuschlag kostspielige Krippenplaetze
Vaeterbonus Stillzuschlag kostspielige Krippenplaetze(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kinderbetreuung international. Wie Karenz, Krippe und Kindergarten in anderen europäischen Ländern gehandhabt werden.

Wohin mit dem Kind? Wenn es um die Kinderbetreuung geht, gibt es die unterschiedlichsten Ansichten – und, je nach Land, die unterschiedlichsten Lösungen. Von Schweden, wo jedes zweite Kind unter drei Jahren in der Krippe betreut wird über die Schweiz mit äußerst strengen Regeln für das Karenzgeld und einem Stillzuschlag bis nach Großbritannien, wo die Betreuung mitunter so viel kostet wie ein Jahr an der Eliteschule Eton: „Die Presse“ hat sich angesehen, wie andere Länder das Thema angehen.


Schweden. Der schwedische Staat kümmert sich prächtig um seinen Nachwuchs. Denn die Betreuer müssen ein dreijähriges Bachelorstudium absolvieren, ehe sie sich der Kinder annehmen dürfen. Die Schweden scheinen dem System zu trauen: 48 Prozent der unter Dreijährigen werden in einer Kinderkrippe betreut, sagt Sonja Dörfler vom Österreichischen Institut für Familienforschung. Da die öffentliche Betreuung ab dem ersten Lebensjahr bereits als „Vorschule“ bezeichnet wird, obliegen sämtliche Belange dem Bildungsministerium. Auch bezüglich Karenz sind die Schweden Vorreiter. So ist es möglich, tageweise in Elternurlaub zu gehen: „Die Mutter kann beispielsweise drei Tage pro Woche arbeiten und die restlichen zwei Tage in Karenz gehen“, so Dörfler. Trotz dieser Alternative scheint den schwedischen Müttern – jedenfalls im ersten Lebensjahr des Kindes – das traditionelle System mehr zuzusagen. Die meisten bleiben ein ganzes Jahr beim Kind und beginnen danach wieder Vollzeit zu arbeiten. Immerhin: Mindestens 60 der 480 bezahlten Karenztage muss der Vater zu Hause bleiben. Die schwedische Regierung lockt zudem mit einem Bonus: Pro Tag, an dem Mutter und Vater gleichermaßen beim Baby bleiben, erhält die Familie im Namen der Gleichberechtigung sechs Euro.


Frankreich: Auch in Frankreich ist für die Kleinsten das Beste gerade gut genug. Erst nach einem fünfjährigen Hochschulstudium dürfen sich die Betreuer um den Nachwuchs kümmern. Die sogenannte „école maternelle“ wird schon für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr angeboten. Zumeist nehmen die Franzosen die staatlichen Einrichtungen aber erst ein Jahr später in Anspruch. 43 Prozent der Franzosen geben ihr Kleinkind laut Dörfler in die Obhut des Staates. Aufgrund des relativ schlechten Betreuungsschlüssels greifen wohlhabendere Familien meist auf Tagesmütter zurück. Diese sind zwar deutlich schlechter ausgebildet als die Betreuer, widmen sich aber voll und ganz dem Kind. So ist die Krippe trotz qualitativer Überlegenheit zur Anlaufstelle der Arbeiterschaft geworden. Da das Karenzgeld von 566 Euro pro Monat gering ist, bleiben viele, meist höher gebildete Frauen, weiterhin erwerbstätig. Dagegen lassen sich vor allem zuvor arbeitslose oder geringer gebildete Mütter etwas mehr Zeit: Sie machen in Frankreich rund 40 Prozent der Karenzgeldbezieherinnen aus.
Schweiz: Das wäre in der Schweiz nicht möglich. Um Karenzgeld zu erhalten, muss eine Frau nämlich mindestens fünf der neun Schwangerschaftsmonate berufstätig gewesen sein. Für die Stillzeit haben die Schweizer eine interessante Lösung gefunden: Während der ersten zwölf Monate wird das Stillen auf dem Firmengelände als Arbeitszeit angesehen. Beim Stillen außerhalb der Firma dürfen sich Angestellte die Hälfte der Zeit anrechnen lassen. Generell liegt Kinderbetreuung in der Schweiz fest in privater Hand.

Großbritannien: Die Briten müssen für die Betreuung ihrer Kleinkinder tief in die Tasche greifen: 27 Prozent des durchschnittlichen Monatseinkommens müssen laut OECD für die Aufsicht von unter Dreijährigen aufgewendet werden. Ein Regierungsbericht vom März liefert die Einzelheiten: Im Landesdurchschnitt kostet die Betreuung 11.000 Pfund im Jahr, in London sind es sogar 14.000 Pfund. Bekannt sind aber auch Einzelfälle von 42.000 Pfund – mehr als ein Jahr an der Eliteschule Eton kostet. Der Staat leistet einen Beitrag, der aber auf 15 Stunden pro Woche begrenzt und einkommensabhängig ist. Insgesamt gibt die Regierung pro Jahr fünf Milliarden Pfund für Früherziehung und Kleinkinderbetreuung aus – rund 40 Prozent mehr als der OECD-Durchschnitt. Dennoch gilt das System als dringend reformbedürftig: Betreuungszeiten und -angebote entsprechen oft nicht den Bedürfnissen. Budgetkürzungen verringern das unzureichende Angebot weiter.


Island: Nach Vollendung des ersten Lebensjahres ist es in Island üblich, eine kostenpflichtige Vorschule zu besuchen. Hierbei wird besonderes Augenmerk auf den spielerischen Umgang mit den Kleinen gelegt. Weiters sind isländische Väter dazu verpflichtet, drei der insgesamt neun Monate in bezahlte Karenz zu gehen. Aber Island sticht auch in anderer Hinsicht hervor: Es hat mit 2,2 Kindern pro Frau die zweithöchste Geburtenrate Europas.


Italien: In Italien können Kinder ab dem Alter von drei Jahren freiwillig die staatliche „scuola materna“ besuchen. Kleinkinder zwischen drei Monaten und dem dritten Geburtstag können in Krippen untergebracht werden. Hinsichtlich des Familienmodells ist Italien sehr traditionell: So umfasst der gesetzliche Anspruch auf Karenz für Väter nur einen Tag. Mit der Zustimmung der Mutter darf der Mann zwei Tage dranhängen. Dann ist im Normalfall aber Schluss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2013)

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