Das freundliche Gesicht des Terrors

Gastkommentar. In Teheran tritt am Sonntag der neue Präsident, Hassan Rohani, sein Amt an. Im Westen wurde er bereits als „Hoffnungsträger“ bezeichnet – die Chancen, dass sich die iranische Politik, vor allem in der Atomfrage, ändert, sind aber gering.

Es war nach 1945 einer der opferreichsten antisemitischen Anschläge außerhalb Israels: 1994 explodierte eine Bombe im jüdischen Gemeindezentrum in Buenos Aires. 85 Menschen wurden ermordet, hunderte schwer verletzt. Die argentinische Justiz macht bis heute die Machthaber in Teheran und die Hisbollah für den Anschlag verantwortlich. Interpol sucht Spitzen des iranischen Regimes wegen der Attacke mit internationalem Haftbefehl.

In einem Bericht des argentinischen Generalstaatsanwalts, Alberto Nisman, kann man nachlesen, dass die Entscheidung zu dem Massaker von einem Sonderausschuss gefällt wurde, der eng mit dem Nationalen Sicherheitsrat des iranischen Regimes verbunden war. Hassan Rohani, der dauerlächelnde Sieger der iranischen Präsidentschaftswahlen, war zu dieser Zeit als enger Vertrauter des Obersten Geistlichen Führers, Ali Khamenei, Sekretär des Rates.

In dem Sonderausschuss, der über den Anschlag in Argentinien entschieden hat und auch die Ermordung iranischer Oppositioneller in Europa angeordnet haben soll, saßen laut Nisman unter anderem der damalige Präsident Rafsandschani (der bis heute im Westen als „Moderater“ verklärt wird), Geheimdienstminister Fallahian (der Anfang der 1990er-Jahre noch vom deutschen Geheimdienst und im deutschen Kanzleramt empfangen wurde), Außenminister Velajati und – Hassan Rohani.

Millionen ins Exil getrieben

Doch auch jenseits seiner Mitverantwortung für die Ermordung von 85 Menschen in der argentinischen Hauptstadt ist Rohani in keiner Hinsicht jener „Mann des Ausgleichs und der Versöhnung”, als der er in zahlreichen Medienberichten verklärt wird, oder gar ein „bärtiger Hoffnungsträger mit Herz“, als den ihn die deutsche „taz“ porträtiert hat. An der Verfasstheit der „Islamischen Republik“, die in den letzten Jahrzehnten tausende Iraner das Leben gekostet und Millionen ins Exil getrieben hat, wird sich nichts Wesentliches ändern. Die das Regime konstituierenden, miteinander konkurrierenden Fraktionen streiten nicht darüber, was die grundsätzlichen Ziele der „Islamischen Republik“ sind, sondern wie diese am besten umgesetzt werden können.

Rohani forderte 1999 die Todesstrafe für protestierende Studenten. Israel ist für ihn wie für alle Vertreter des iranischen Regimes ein „elendes Land“, der „große zionistische Satan“, gegen den er die „vollständige Wiederherstellung der Rechte des palästinensischen Volkes“ fordert – was das Gleiche meint wie jene Äußerung seines Chefs Khamenei, dass Israel ein „Krebsgeschwür“ sei, „das herausgeschnitten werden sollte und herausgeschnitten werden wird“. Doch Rohani ist bestens in der Lage, in jenem pseudodiplomatischen Jargon zu formulieren, der auf die Bedürfnisse feinfühliger Europäer etwas mehr Rücksichten nimmt, als Ahmadinejad das getan hat.

Die Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel waren keine Erfindung von Rohanis Vorgänger, sondern gehören seit 1979 zum offiziellen Programm der iranischen Theokratie. Es war Ajatollah Khomeini, der gleich nach der Islamischen Revolution den sogenannten Quds-Tag ausrief, an dem seit 1979 alljährlich nicht nur im Iran, sondern weltweit, auch in Wien, für die Vernichtung Israels demonstriert wird.

Völlig zu Recht rühmte Rohani sich, dass durch sein Verhandlungsgeschick gegenüber den EU-3 (Großbritannien, Frankreich und Deutschland) das iranische Atomprogramm während seiner Zeit als Chefunterhändler unter dem Präsidenten Khatami entscheidend vorangekommen ist. So könnte es nun weitergehen: Rohani wird mit dem Segen Khameneis versuchen, durch neue Verhandlungsrunden Zeit zu schinden, die das Regime nutzen kann, seine nukleare Option zu verwirklichen.

Differenzen in westlicher Welt

Er wird versuchen, die Differenzen innerhalb der westlichen Welt zu schüren und für die Interessen des iranischen Regimes zu instrumentalisieren. Der langjährige Khamenei-Vertraute hat dazu sehr viel eher das Zeug als der überambitionierte Ahmadinejad, dessen rabiate Rhetorik sich nach einiger Zeit als kontraproduktiv für die Ziele des Obersten Geistlichen Führers erwiesen hat. Der neue iranische Präsident erfüllt für die herrschenden Ajatollahs die Funktion eines gewieften Taktikers. Hassan Rohani ist das freundliche Gesicht des Terrors.

Erste Erfolge konnte das iranische Regime durch sein neues Aushängeschild bereits verbuchen: Russland fordert ebenso eine Rücknahme der Sanktionen wie maßgebliche Kommentatoren in Europa. In der Europäischen Union sind Sanktionen ohnehin eher dazu konzipiert, Israel von militärischen Maßnahmen abzuhalten, als dazu, das iranische Regime ernsthaft an der Fortsetzung seiner brandgefährlichen Politik zu hindern. Wäre das anders, hätten die Europäer schon längst ein komplettes Embargo mit humanitären Ausnahmeregelungen verhängt. Stattdessen liefern europäische Unternehmen, insbesondere der mittelständische Maschinenbau, weiterhin Waren im Wert von mehreren Milliarden Euro in den Iran, der trotz aller bisherigen Einbußen weiterhin über genügend Ressourcen verfügt, um sein Nuklear- und Raketenprogramm fortzuführen.

Statt über eine Rücknahme der ohnehin völlig unzureichenden, durch zahlreiche Ausnahmeregelungen konterkarierten Sanktionen zu reden, ginge es darum, nicht auf die taktischen Manöver des iranischen Regimes hereinzufallen. Die EU-Staaten sollten sich ein Beispiel an Kanada nehmen, die diplomatischen Beziehungen mit Teheran abbrechen und offen die Opposition im Iran und im Exil unterstützen. Der fortgesetzte Dialog liefert den Ajatollahs nur jene Legitimation, die sie bei großen Teilen der iranischen Bevölkerung schon längst verloren haben.

Finanzielle Ressourcen entziehen

Es geht darum, dem iranischen Regime die Fortsetzung seiner Projekte – sei es das Nuklearprogramm, sei es die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung – durch die Entziehung der finanziellen Ressourcen zu verunmöglichen. Und es geht darum, ihm hinsichtlich seiner Waffenprogramme endlich klare rote Linien aufzuzeigen. Das bedeutet: Es muss neben scharfen Sanktionen auch eine eindeutige militärische Drohung geben.

Es fragt sich, was passieren soll, wenn weder Sanktionen noch politischer Druck helfen und die iranische Freiheitsbewegung nicht in der Lage ist, das Regime zu stürzen – was nach wie vor die mit Abstand beste Option wäre. Militärschläge gegen die iranische Atomrüstung wären eine schlechte Option, weshalb es weiterhin darum ginge, alle jenseits dieser Option liegenden Möglichkeiten endlich in die Tat umzusetzen. Die Akzeptanz allerdings, dass ein Regime wie das iranische über Atomwaffen verfügt, darf keine Option sein.

Zur Person


E-Mails an: debatte@diepresse.comStephan Grigat (geboren 1971) ist Publizist und Politikwissenschaftler. Er ist derzeit Lehrbeauftragter an der Universität Wien. Grigat ist Mitherausgeber von „Iran im Weltsystem. Bündnisse des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung“. Daneben ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kampagne „Stop the Bomb“. [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2013)

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