Ein homosexueller Olympionike in Handschellen?

Ein homosexueller Olympionike in Handschellen?
Ein homosexueller Olympionike in Handschellen?(c) EPA (ANATOLY MALTSEV)
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Russlands „Anti-Homosexuellen-Gesetz“ soll, entgegen allen Beteuerungen des IOC, bei den Winterspielen 2014 in Sotschi zur Anwendung kommen. Homosexualität ist nicht verboten, aber die „Propagierung“ ist strafbar.

Moskau/Wien//PAN. In Vancouver gab es bei den Winterspielen 2010 ein buntes „Pride House“. Hier hatten erstmals in der olympischen Geschichte Schwule und Lesben einen eigenen Platz, an dem sie ihre Siege feiern konnten. Es gab kein Verstecken mehr und viele Beobachter werteten dies als Indiz, dass sich auch Olympia endgültig „geoutet“ hatte.

Das „Pride House“ erfreute sich allerdings keines allzu großen Ansturms, das Internationale Olympische Komitee, seine Funktionäre und auch die Sportler mieden es. Teils aus Ablehnung, mitunter aus Scham, die Idee samt allen Tatsachen blieb weiterhin ein Tabu. Organisator Dean Nelson wollte seine Idee trotzdem fortsetzen, auch bei den Spielen 2014 in Sotschi sollte es einen Ort der Geborgenheit für Schwule und Lesben geben. Aber Russland ist nicht Kanada. Es gelten andere Gesetze – und Sportminister Vitali Mutko verfolgt diese Linie eisern.

Das russische Anti-Homosexuellen-Gesetz gilt auch während der Winterspiele 2014 in Sotschi. Das stellte Mutko unumwunden klar. Ende Juli hatte das IOC noch erklärt, das im Westen äußerst umstrittene Gesetz komme für den Zeitraum der Spiele, vor allem aber für „seine Sportfamilie“ nicht zur Anwendung. Selbst Dmitri Kosak, der für die Spiele eigens abgestellte Vizeministerpräsident, war von dieser Ausnahmeregelung überzeugt. Doch Mutko erteilte diesem Vorhaben eine strenge Absage.

Geldstrafe oder Arrest

Mutkos Aussagen sorgen nun weltweit für Irritierung. „Niemand verbietet Athleten mit nicht traditioneller sexueller Orientierung, nach Sotschi zu kommen. Aber wenn sie diese auf der Straße propagieren, werden sie zur Verantwortung gezogen“, sagt er und widerspricht damit den Vorstellungen und Ankündigungen des IOC deutlich. Auch Sportler hätten sich „an örtliche Gesetze“ zu halten. Mutko: „So ist es auch hier. Komm her, aber zieh keine Jugendlichen mit hinein, propagiere nicht – darum geht es.“

Die Reaktionen diverser Verbände oder Sportler sind noch offen. Riskieren aber die Betroffenen Geldstrafen oder gar Verhaftungen? Ausländer, die gegen dieses Gesetz verstoßen, erwartet eine Geldstrafe in Höhe von 120 Euro – oder zwei Wochen Arrest. Ein homosexueller Olympiasieger in Handschellen? Für das IOC, das stets auf den Glanz des milliardenschweren Events bedacht ist, wäre das ein Albtraum.

Am 30. Juni dieses Jahres unterzeichnete Wladimir Putin einen Gesetzesbeschluss, der öffentliche Aussagen über gleichgeschlechtliche Lebensweisen – in Gegenwart von Minderjährigen – unter Geldstrafe stellt. 25.000 Euro beträgt die Höchststrafe für dieses „Propagieren“ von Homosexualität. Auch für Medien ist Berichterstattung in diese Richtung verboten. Zudem signierte Putin ein Adoptionsverbot für Homosexuelle.

Dieser Situation zufolge hätte sich die Idee vom „Pride House“ im Februar 2014 an der Schwarzmeerküste jedenfalls erledigt. Bei ausgelassenen Medaillenfeiern scheint die „Gefährdung“ Minderjähriger jedoch überschaubar. Sie beginnen zumeist erst zu sehr später Stunde . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2013)

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